Tour de France 2022 - 11. Etappe

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Vingegaard knackt Pogacar in Alpen

Jonas Vingegaard (Jumbo) hat auf der 11. Etappe der Tour de France 2022 dem scheinbar unantastbaren Tadej Pogacar (UAE) am Col du Granon den Stecker gezogen. Schon weit vorm Ziel begann Vingegaards bärenstarkes Team, aus allen Rohren gegen Pogacar zu schießen. Nicht unbedingt taktisch vollkommen ausgereift, aber mit der Wucht eines übermächtigen Teams zermürbten sie Pogacar im Anstieg zum Col du Télégraphe und Col du Galibier. Dort sah es noch so aus, als hätte Pogacar alles im Griff. Aber im Schlussanstieg zum Col du Granon zestörte Vingegaard die Konkurrenz, gewann eine Minute vorm zweitplatzierten Nairo Quintana (Arkéa). Pogacar hingegen erlebte eine nie bei ihm gesehene Schwäche und kassierte fast 3 satte Minuten.

Im Schlagschatten des großen Duells belegte Romain Bardet (DSM) 70 Sekunden hinter Vingegaard. Auch er zog an Pogacar in der Gesamtwertung vorbei. Außerdem erreichten vor dem nun ehemaligen Träger des Gelben Trikots Geraint Thomas (Ineos), der am Galibier bereits weit zurückgefallene David Gaudu (Groupama) und Adam Yates (Ineos) das Ziel. Damit nahm die Tour 2022 auf ihrer ersten Hochgebirgsetappe eine sensationelle Wendung – galt Pogacar auch selbst von Vingegaard als kaum zu schlagen, zumindest nicht in diesem Ausmaß.

 

Ergebnis
 1. Jonas Vingegaard (DEN)     - Jumbo-Visma              4:18:02
 2. Nairo Quintana (COL)       - Arkéa-Samsic               +0:59
 3. Romain Bardet (FRA)        - DSM                        +1:10
 4. Geraint Thomas (GBR)       - Ineos Grenadiers           +1:38
 5. David Gaudu (FRA)          - Groupama-FDJ               +2:04
 6. Adam Yates (GBR)           - Ineos Grenadiers           +2:10
 7. Tadej Pogacar (SLO)        - UAE-Emirates               +2:51
 8. Alexej Luzenko (KAZ)       - Astana-Kasachstan          +3:38
 9. Steven Kruijswijk (NED)    - Jumbo-Visma                +3:59
10. Warren Barguil (FRA)       - Arkéa-Samsic               +4:16
11. Pierre Latour (FRA)        - Totalenergies              +4:37
12. Alexander Wlasow (RUS)     - Bora-Hansgrohe             +4:40
13. Rafal Majka (POL)          - UAE-Emirates               +6:38
14. Valentin Madouas (FRA)     - Groupama-FDJ               +7:26
15. Enric Mas (ESP)            - Movistar                   +8:08
16. Simon Geschke (GER)        - Cofidis                  gl.Zeit
17. Dylan Teuns (BEL)          - Bahrain Victorious         +9:48
18. Tom Pidcock (GBR)          - Ineos Grenadiers           +9:55
19. Sepp Kuss (USA)            - Jumbo-Visma               +11:31
20. Primoz Roglic (SLO)        - Jumbo-Visma              gl.Zeit
21. Louis Meintjes (RSA)       - Intermarché-Wanty         +12:17
22. Tiesj Benoot (BEL)         - Jumbo-Visma               +13:47
23. Bob Jungels (LUX)          - AG2R-Citroën              +13:53
...
25. Wout van Aert (BEL)        - Jumbo-Visma               +17:27
36. Neilson Powless (USA)      - EF Education-Easypost     +26:44
44. Chris Froome (GBR)         - Israel-Premier Tech       +27:16
62. Lennard Kämna (GER)        - Bora-Hansgrohe            +28:45
73. Aurél. Paret-Peintre (FRA) - AG2R-Citroën              +29:42
78. Damiano Caruso (ITA)       - Bahrain Victorious        +29:50
79. Luis Leon Sanchez (ESP)    - Bahrain Victorious        +29:50
- 161 Fahrer klassiert.
DNF Oliver Naesen (BEL)        - AG2R-Citroën
DNF Mathieu van der Poel (NED) - Alpecin-Fenix

 

Vingegaard schlüpfte in sein erstes Gelbes Trikot 2:16 Minuten vor Bardet, der sich um 5 Plätze verbesserte, und 2:22 vor Pogacar. So deutlich der Abstand zwischen Platz 1 und 2, desto enger tummelt es sich dahinter: Nur 4 Sekunden hinter Pogacar fiel Thomas auf den 4. Platz zurück, weitere 11 Sekunden dahinter kletterte Quintana von 12 auf 5. Yates und Gaudu verloren je einen Platz. Wlasow (Bora) und der bisher unsichtbare Luzenko (Astana) schlichen sich auf die verbleibenden einstelligen Plätze.

Lennard Kämna (Bora), am Vortrag um 11 Sekunden am Gelben Trikot vorbeigeschrammt, gönnte sich erwartungsgemäß einen großen Rückstand und fiel vom 2. Platz entsprechend wieder weit zurück – als Voraussetzung für weitere Fluchtversuche. Mehr Zeit als vor der Tour erwartet verloren am Col du Granon Wlasow mit fast 5 und Mas (Movistar) mit über 8 Minuten. Primoz Roglic (Jumbo), bis zur 11. Etappe noch Co-Kapitän gemeinsam mit Vingegaard, ließ es mit über 11 Minuten Rückstand ausrollen. Die persönliche Niederlage für Roglic wurde dabei von dem Team-Triumph klar überstrahlt.

 

Gesamtwertung
 1. Jonas Vingegaard (DEN)     - Jumbo-Visma             41:29:59
 2. Romain Bardet (FRA)        - DSM                        +2:16
 3. Tadej Pogacar (SLO)        - UAE-Emirates               +2:22
 4. Geraint Thomas (GBR)       - Ineos Grenadiers           +2:26
 5. Nairo Quintana (COL)       - Arkéa-Samsic               +2:37
 6. Adam Yates (GBR)           - Ineos Grenadiers           +3:06
 7. David Gaudu (FRA)          - Groupama-FDJ               +3:13
 8. Alexander Wlasow (RUS)     - Bora-Hansgrohe             +7:23
 9. Alexej Luzenko (KAZ)       - Astana-Kasachstan          +8:07
10. Enric Mas (ESP)            - Movistar                   +9:29
11. Tom Pidcock (GBR)          - Ineos Grenadiers          +11:12
12. Steven Kruijswijk (NED)    - Jumbo-Visma               +13:27
13. Valentin Madouas (FRA)     - Groupama-FDJ              +13:48
14. Primoz Roglic (SLO)        - Jumbo-Visma               +13:54
15. Warren Barguil (FRA)       - Arkéa-Samsic              +17:20
16. Louis Meintjes (RSA)       - Intermarché-Wanty         +18:27
17. Bob Jungels (LUX)          - AG2R-Citroën              +19:17
18. Sepp Kuss (USA)            - Jumbo-Visma               +24:52
19. Rafal Majka (POL)          - UAE-Emirates              +27:07
20. Neilson Powless (USA)      - EF Education-Easypost     +28:10
21. Lennard Kämna (GER)        - Bora-Hansgrohe            +28:27
22. Tiesj Benoot (BEL)         - Jumbo-Visma               +29:34
23. Luis Leon Sanchez (ESP)    - Bahrain Victorious        +31:11

 

Noch vor dem Winken der Startflagge trat Wout van Aert (Jumbo) an, und seiner Dauerrivale seit Jugendzeiten, Mathieu van der Poel (Alpecin), stieg hinterher. Das Duo erhielt dann Zuwachs von Cattaneo (Quick Step), und nach 30 Kilometern, also 121 vorm Ziel, von Laporte (Jimbo), Cherel (AG2R), Politt, Schachmann (beide Bora), Bagioli (Quick Step), Geschke, Izagirre (beide Cofidis), Gradek, Teuns (beide Bahrain), van Keirsbulck (Alpecin), Rutsch (EF), Barguil (Arkéa), Pedersen, Gallopin (beide Trek), Bodnar, Latour (beide Totalenergies) und Neilands (Israel). Im Hauptfeld waren zunächst ein paar Teams noch nicht zufrieden. Insbesondere Benoot (Jumbo) wollte wohl noch auf jeden Fall nach vorn. Doch nach ein paar Kilometern legte sich das, und die 20-köpfigen Spitzengruppe des Tages stand.

Bei van der Poel war es der Schwanengesang. Er fiel am ersten Anstieg des Tages, den imposanten Lacets de Montvenier, als erster Fahrer aus der Spitzengruppe zurück und stieg kurze Zeit später ganz vom Rad. Die 5 Punkte am Bergpreis sicherte sich Latour weit vorm Trikotträger Geschke, der hier somit 3 Zähler mitnahm. Bereits 68 Kilometer vorm Ziel sprintete Latour am Col du Télégraphe zu 10 Punkte vor Barguil, der 8 holte, und Geschke für 6.

Die Ausreißer befanden sich hier 7 Minuten vor dem Hauptfeld, oder besser gesagt: was davon noch übrig war. Denn dort war noch hoch zum Télégraphe die Hölle ausgebrochen. Alles begann mit einer Attacke von Benoot mit seinem da noch Co-Kapitän Roglic am Rad. Yates folgte sofort, Pogacar folgte mit Vingegaard, Mas und Thomas. Danach lief es wieder etwas zusammen, bis Roglic über die Kuppe hinweg attackierte und zum von vorne zurückfallenden Laporte aufschloss. Pogacar passte sofort auf.

Ab jetzt gaben Roglic und Vingegaard keine Ruhe mehr. Die beiden attackierten nun in den Galibier hinein abwechselnd – Roglic weitere 4-mal und Vingegaard 3-mal – und nahmen Pogacar damit mustergültig in der Zange. Pogacar musste immer wieder nachführen, attackierte dann einmal sogar selbst und war danach nur noch allein mit Roglic und Vingegaard, nachdem als letzter Klassementfahrer eines anderen Teams Geraint Thomas zurückgefallen war.

In der Spitzengruppe hatte Cherel attackiert, wurde aber bald von den Verfolgern Barguil, van Aert, Geschke, Teuns, Latour, und Neilands eingeholt. 7 Kilometer unterhalb dem Dach der Tour waren noch van Aert, Geschke, Barguil, Latour vorn übrig, als van Aert attackierte, sich aber sofort den Konter von Barguil fing. Bis zum Gipfel waren dann Barguil, Geschke, Latour und van Aert in dieser Reihenfolge als Solisten unterwegs. Geschke verteidigte damit sein Bergtrikot gegen Latour und Barguil, der sich in der Anfahrt zum Schlussanstieg als Solist aufrieb und im Schlussanstieg selbst zuerst von seinem Teamkollegen Quintana als letzter früher Ausreißer eingeholt wurde.

 

Bergwertung
 1. Simon Geschke (GER)        - Cofidis                    43 p.
 2. Pierre Latour (FRA)        - Totalenergies              35
 3. Jonas Vingegaard (DEN)     - Jumbo-Visma                30
 4. Warren Barguil (FRA)       - Arkéa-Samsic               30
 5. Tadej Pogacar (SLO)        - UAE-Emirates               18
 6. Bob Jungels (LUX)          - AG2R-Citroën               18
 7. Wout van Aert (BEL)        - Jumbo-Visma                17
 8. Nairo Quintana (COL)       - Arkéa-Samsic               15
 9. Thibaut Pinot (FRA)        - Groupama-FDJ               14

 

Nach den abwechselnden Attacken im flacheren Teil zwischen Télégraphe und Einstieg zum Galibier fuhren zur Gruppe ums Gelbe Trikot noch einmal die meisten Top-Ten-Klassementfahrer auf. Aber dann begann alles von vorn: Roglic attackierte, Pogacar reagierte, und mit ihm erreichten nur Vingegaard und Thomas am Rad Roglic. Bardet und Quintana sowie die Vingegaard-/Roglic Helfer Kruijswijk und Kuss kamen noch dazu, Gaudu jedoch nicht.

Nun zog Pogacar selbst an, brachte damit Roglic erstmals in Probleme. Er zog im Gelben Trikot nun durch und hatte bald nur noch Vingegaard am Hinterrad, nachdem zuletzt Thomas und Bardet abgefallen waren. Den Gipfel am Galibier überquerte Barguil 54 Sekunden vor Geschke, 1:26 Minuten vor Latour, 1:36 vor van Aert, 4:26 vor Pogacar und Vingegaard, die Bardet praktisch auf der Passhöhe wieder einholte, ein paar Sekunden mehr vor Thomas, 4:50 vor Quintana und Kruijswijk, 5:03 vor Yates, 5:13 vor Kuss, 5:24 vor Luzenko, 6:18 vor Gaudu mit seinen Helfern Madouas und Storer sowie Majka, Roglic und Wlasow und 6:41 vor Mas.

Auf der Abfahrt rollte dann noch einmal alles zusammen, weil sich van Aert zur Gruppe um Gaudu und Roglic zurückfallen ließ und diese wieder in die Gruppe ums Gelbe Trikot führte. Er brachte damit allerdings auch Pogacars Edelhelfer Majka zurück ins Geschäft. Den 11,3 Kilometer langen Schlussanstieg nahm Barguil 2:08 vor einem Verfolgertrio mit Geschke, Latour und Teuns auf sowie 4 Minuten vor der Gruppe der Klassementfahrer.

Im Schlussanstieg reduzierte sich die Top-Gruppe relativ schnell auf Pogacar, Vingegaard, Thomas, Yates, Quintana, Bardet und erstaunlicherweise Majka. Vingegaard hatte plötzlich anders als Pogacar keinen Helfer mehr bei sich, weil sogar Roglic abreißen ließ. Zu diesem Zeitpunkt schien die fulminante Team-Strategie gerade voll nach hinten loszugehen, weil Majka für Pogacar das Tempo machte.

Dann attackierte Nairo Quintana. Gaudu konnte mit seinen 2 Helfern nicht einmal Wlasow und Luzenko halten, teilte sich die Kräfte aber offensichtlich exakt ein, wie sich später herausstellen sollte. 5,5 Kilometer vorm Ziel attackierte Bardet – 90 Sekunden hinter Barguil und 40 hinter Quintana, der inzwischen schon alle verbliebenen Ausreißer außer seinen Teamkollegen Barguil gestellt hatte.

Innerhalb der letzten 5 Kilometer geschah es schließlich: Vingegaard attackierte, Majka führte Pogacar und Thomas heran, Yates musste abreißen lassen. Dann aber fiel Majka zurück, und Pogacar konnte das Hinterrad von Vingegaard nicht mehr halten! An der Spitze des Rennens empfing Barguil seinen Teamkollegen Quintana und führte noch ein paar Meter. Vingegaard ging vorbei an Bardet, Thomas hängte Pogacar ab. Vor der 4-Kilometer-Marke holte Vingegaard Quintana ein und ließ diesen kurz danach stehen, zu diesem Zeitpunkt schon 40 Sekunden vorm Gelben Trikot.

Und es sollte sukzessive mehr werden. Yates holte Pogacar wieder ein, und der erstaunlich Gaudu zog gleich an beiden vorbei. Yates distanzierte Pogacar auch noch deutlich. Als Solisten kämpften sie sich nun ins Ziel. Mit einer schier unfassbaren Leistung krönte Vingegaard damit eine irrwitzig offensiv und dominant vorgeführte Teamleistung, die in dieser Form noch lange in den Köpfen haften bleiben wird.


Vorschau auf diese Etappe: Die 11. Etappe der Tour de France 2022 ist die mittlere von 3 Alpenetappen – über Col du Galibier und mit Bergankunft am Col du Granon. Zunächst aber werden nach flacher Anfangsphase die Lacets de Montvenier bezwungen – sicherlich eines der optischen Highlights in Sachen Straßenbau. Oben sind 50 Kilometer absolviert und 100 stehen auf dieser relativ kurzen 11. Etappe noch an. Und die Hauptschwierigkeiten folgen noch. Via Col du Télégraphe wird auf 2.642 Metern am Col du Galibier die höchste Stelle der Tour 2022 erreicht. Den Preis Henri Desgranges gibt es heute, obschon der Galibier am Folgetag noch einmal in umgekehrter Richtung genommen wird. Nicht viel niederiger liegt schließlich das Ziel der 11. Etappe am 2.413 Meter hohen Col du Granon. Der Schlussanstieg muss sich mit seinen 11,3 Kilometern Länge und 9,2 % Durchschnittssteigung nicht hinter Alpe d'Huez am Folgetag verstecken. Die Straße zum Col du Granon zweigt auf dem Weg zwischen Galibier/Lautaret nach Briançon in Chantemerle von der D1091 ab.

10. Etappe ◄ Mi 13. Juli: 11. Etappe ► 12. Etappe

Tour de France 2022
11. Etappe (151,7km)
von Albertville 12:30
zum Col du Granon 16:54

S -km136 12:54 Aiguebelle
2 -km102 13:47 Lacets de Montvenier
1 -km68 14:51 Col du Télégraphe
HC -km45 15:43 Col du Galbier
HC -km0 16:54 Col du Granon

Etappensieg:
Jonas Vingegaard (DEN)

Gelbes Trikot:
Jonas Vingegaard (DEN)

Grünes Trikot:
Wout van Aert (BEL)

Bergtrikot:
Simon Geschke (GER)

Jungprofi-Wertung:
Tadej Pogacar (SLO)

Teamwertung:
Ineos Grenadiers

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