Mailand-Sanremo 2022

(ITA/1.UWT) - Siegerliste Mailand-Sanremo

Mohoric mit Abfahrtssieg

Matej Mohoric (Bahrain) gelang der Triumph bei Mailand-Sanremo 2022 durch eine tollkühne Abfahrt hinab vom Poggio di Sanremo. Die 5 Sekunden Vorsprung, die er für die letzten 2,2 flachen Kilometer hatte, reichten ihm vor den sich anschauenden, von Helfern isolierten Gegnern aus. Auch nicht zu den größten Favoriten gehörten die beiden anderen Männer, die 2 Sekunden hinter dem 27-jährigen Slowenen die weiteren Podestplätze einfuhren: Außenseiter Anthony Turgis (Totalenergies) entwischte der 8-köpfigen Verfolgergruppe auf dem Schlusskilometer, Mathieu van der Poel (Alpecin) sprintete bei seinem ersten Saisoneinsatz (!) auf den 3. Platz – und das bei dem längsten Rennen der Saison.

Die Vorentscheidung fiel, als einer der beiden Top-Favoriten, Tadej Pogacar (UAE), in der Poggio-Abfahrt demonstrativ eine Lücke zu seinem Landsmann Mohoric klaffen ließ, und der andere, Wout van Aert (Jumbo) diese ebenso nicht mehr zugefahren bekam wie van der Poel oder Mads Pedersen (Trek). Hinter Michael Matthews (Bikeexchange) belegten Pogacar und Pedersen die Plätze 5 und 6, gefolgt von Søren Kragh Andersen (DSM), van Aert und dem jubelnd austrudelnden Jan Tratnik (Bahrain). Nur das Team des Siegers war also im Finale vorne doppelt vertreten. 11 Sekunden hinter Mohoric führte Ex-Sieger Arnaud Démare (Groupama) die nächste Gruppe für einen 10. Platz ins Ziel.

Pogacars Helfer, namentlich vor allem Davide Formolo, schlugen am Cipressa-Anstieg, dem vorletzten mit Kulminationspunkt 21,6 Kilometer vorm Ziel, ein Tempo an, wie es das an diesem Berg seit über 2 Jahrzehnten nicht mehr gegeben hatte. So blieben unter 30 Fahrer an der Spitze übrig. Den Poggio hinauf ritt Pogacar dann 4 Attacken (!), kam aber nicht weg. Die letzte Bergauf-Attacke kam allerdings von Andersen, dem zunächst nur Pogacar folgte. Bis zur Kuppe 5,5 Kilometer vorm Ziel waren van der Poel und van Aert dran, die nächsten Verfolger jedoch auch nur ein bis 2 Sekunden weg. Mohoric führte diese schnell zurück zum Spitzenquartett und setzte sich sofort an die Spitze. Für seinen bisher größten Sieg riskierte er Kopf und Kragen, rauschte an der Straßenkante teils durch die Regenrinne und hauchdünn an den Mauern entlang.

Start im Velodrom, Rückkehr des Turchinopasses

Bei Mailand-Sanremo 2022 kehrte man zur langjährigen Streckenführung zurück, nachdem in beiden Vorjahren Ausweichrouten anstelle des gestrichenen Turchinopasses gefahren wurden. Der Tuchinopass fehlte 2020 im Profil wegen hoher Corona-Inzidenzen in den nördlich gelegenen Ortschaften, 2021 wegen eines Erdrutsches. Entscheidender für den Rennausgang waren ohnehin die letzten Anstiege an der Riviera: Cipressa und dann vor allem Poggio di Sanremo. Eine Neuerung wurde für 2022 dann doch verkündet: Der Frühjahrsklassiker wurde im Mailänder Velodrom gestartet – anstatt unterhalb des Mailänder Doms.

In der Woche vor dem Rennen häuften sich die Absagen, insbesondere von Mitfavoriten und/oder ehemaligen Siegern. Im Profi-Zirkus machten anscheinend Magen-Darm-Grippe und Bronchitis die Runde. Vorjahressieger Jasper Stuyven (Trek) musste deswegen ebenso passen wie der 2019-Sieger und Weltmeister Julian Alaphilippe (Quick Step), 2015-Sieger John Degenkolb (DSM), Roubaix-Triumphator Sonny Colbrelli (Bahrain) oder der zweimalige Sanremo-Zweite – zuletzt im Vorjahr – Caleb Ewan (Lotto). Die Top-Favoriten für Mailand-Sanremo 2022 wären ohnehin 2020-Sieger Wout van Aert und der in diesem Jahr davor unbesiegte Tadej Pogacar gewesen – so allerdings mit größerem Abstand. Am dritthöchsten gewettet wurde ausgerechnet Mads Pedersen, der Mailand-Sanremo gar nicht fahren wollte um sich für die Nord-Klassiker zu schonen, dann aber für Stuyven einsprang.

Einen Tag vor Frühlingsanfang rissen 8 Fahrer gleich zu Beginn der 293 Rennkilometer aus. Bei Sonnenschein, Rückenwind und angenehmen Temperaturen bis 18 Grad waren dies: Jewgeni Giditsch, Artjom Sacharow (beide Astana), Alessandro Tonelli (Bardiani), Filippo Tagliani, Ricardo Zurita (beide Androni), Samuele Rivi, Diego Sevilla (beide Eolo) und Filippo Conca (Lotto). Vor allem die Helfer von van Aert sorgten dafür, dass der Abstand zu dieser Spitzengruppe nie auf über 8 Minuten anwuchs.

Nach langem Warten – das Mammut-Klassiker wurde komplett live übertragen – kam gut 40 Kilometer vorm Ziel an der Capo Berta, dem drittletzten Anstieg, etwas Bewegung ins Rennen. Vorne setzten sich Rivi, Sevilla, Tonelli, Giditsch und Conca ab. Letztgenannter bezahlte dies kurz darauf mit Krämpfen, die ihn zum Absteigen zwangen. Aus dem erweiterten Favoritenkreis fiel Tom Pidcock (Ineos) aus dem Hauptfeld zurück. Zwischen Capo Berta und Cipressa hatte Peter Sagan (Totalenergies) einen Kettendefekt. Das Rennen, bei dem er noch nie siegte, war damit auch für ihn gelaufen.

Denn mit brutalem Tempo enterten die Helfer von Pogacar 27 Kilometer vorm Ziel den Cipressa-Anstieg, 2:10 Minuten hinter dem Spitzenquartett. Von diesem gingen Tonelli und Rivi in Front. Sie überquerten die Kuppe 40 Sekunden vor knapp 30 Verfolgern, die fast den gesamten Anstieg von Formolo angeführt wurden. Auch bergab ließ Formolo nicht nach und reduzierte den Rückstand zur Spitze bis nach unten auf 20 Sekunden. Am Poggio-Abzweig innerhalb der letzten 10 Kilometer waren es dann nur noch 10 Sekunden, die dann beinah sofort verbraucht waren. Laporte heizte vor seinen Teamkollegen Primoz Roglic und van Aert in den letzten Anstieg. Pogacar ging es wieder nicht schnell genug, so dass er Ulissi weiter beschleunigen ließ.

4 Pogacar-Attacken am Poggio

8,2 Kilometer vorm Ziel platzierte Pogacar dann seine erste von insgesamt 4 Attacken. Van Aert war sofort zur Stelle, van der Poel führte die nächsten Fahrer wieder heran. Der nächsten Pogacar-Attacke 7,8 vorm Ziel folgte zunächst nur Alex Aranburu (Movistar), dann aber auch van Aert, Roglic, van der Poel und weitere. Pogacar attackierte zum 3. Mal, als noch 7,2 Kilometer auf der Uhr standen. Van Aert schloss die Lücke, und Roglic konterte – sofort neutralisiert von van der Poel.

6,6 Kilometer vorm Ziel gab es Pogacars letzten Versuch. Van Aert, van der Poel und Pedersen schlossen auf, woraufhin Pogacar verzögerte und Andersen drüber attackierte, gefolgt von Pogacar. Van Aert und van der Poel bekamen die entstandene Lücke bis oben gekittet. An 5. Position führte Matthews die nächsten Verfolger nur eine Sekunde hinter dem Spitzenquartett durch die Kurve in die Abfahrt. Dort hechtete Mohoric mit grenzwertigem Risiko voraus und machte den Unterschied bergab. Von den nun 8 Verfolgern wollte keiner dem anderen das Loch zufahren. Aus dieser Situation schlug Turgis Kapital und sprang davon für den 2. Platz, seinen ersten Podestplatz bei einem Monument. Angesichts des knapp verpassten Sieges schlug er aber die Hände über dem Kopf zusammen, während Mohoric in Jubelpose auf der Via Roma in Sanremo die Ziellinie überquerte.

So gelang der erste slowenische Sieg bei Mailand-Sanremo also nicht Pogacar und auch nicht Roglic, sondern dem U23-Weltmeister von 2013. Auch damals machte Mohoric vor allem wegen seiner gewagten Abfahrtskünste nachhaltig von sich Reden. Im nachfolgenden Jahrzehnt als Profi folgten unter anderem Etappensiege bei allen 3 großen Rundfahrten. Beste Ergebnisse bei einem der 5 Monumente waren ein 5. Platz in Sanremo 2019 und ein 4. Platz bei Lüttich-Bastogne-Lüttich 2020.

 

Sa 19. März 2022
Ergebnis der 113. Auflage Milano-Sanremo (293,0km)
 1. Matej Mohoric (SLO)        - Bahrain Victorious       6:27:49
 2. Anthony Turgis (FRA)       - Totalenergies              +0:02
 3. Mathieu van der Poel (NED) - Alpecin-Fenix
 4. Michael Matthews (AUS)     - Bikeexchange              alle
 5. Tadej Pogacar (SLO)        - UAE-Emirates
 6. Mads Pedersen (DEN)        - Trek-Segafredo           gleiche
 7. Søren Kragh Andersen (DEN) - DSM
 8. Wout van Aert (BEL)        - Jumbo-Visma               Zeit
 9. Jan Tratnik (SLO)          - Bahrain Victorious         +0:05
10. Arnaud Démare (FRA)        - Groupama-FDJ               +0:11
11. Vincenzo Albanese (ITA)    - Eolo-Kometa
12. Biniam Girmay (ERI)        - Intermarché-Wanty
13. Alex Aranburu (ESP)        - Movistar                  alle
14. Florian Sénéchal (FRA)     - Quick Step Alpha Vinyl
15. Damiano Caruso (ITA)       - Bahrain Victorious       gleiche
16. Michal Kwiatkowski (POL)   - Ineos Grenadiers
17. Primoz Roglic (SLO)        - Jumbo-Visma               Zeit
18. Giacomo Nizzolo (ITA)      - Israel-Premier Tech        +0:21
19. Lorenzo Rota (ITA)         - Intermarché-Wanty        gl.Zeit
20. Quentin Pacher (FRA)       - Groupama-FDJ             gl.Zeit
21. Krists Neilands (LAT)      - Israel-Premier Tech        +0:26
22. Christophe Laporte (FRA)   - Jumbo-Visma                +0:59
23. Ivan Garcia (ESP)          - Movistar                   +1:05
24. Diego Ulissi (ITA)         - UAE-Emirates               +1:09
25. Michael Valgren (DEN)      - EF Education-Easypost      +1:13
26. Alexander Kristoff (NOR)   - Intermarché-Wanty          +1:14
27. Nacer Bouhanni (FRA)       - Arkéa-Samsic
28. Simone Consonni (ITA)      - Cofidis
29. Filippo Fiorelli (ITA)     - Bardiani-CSF              alle
30. Andrea Vendrame (ITA)      - AG2R-Citroën
...
32. Simon Geschke (GER)        - Cofidis
35. Greg van Avermaet (BEL)    - AG2R-Citroën             gleiche
40. Alex Kirsch (LUX)          - Trek-Segafredo
50. Marco Haller (AUT)         - Bora-Hansgrohe
51. Filippo Ganna (ITA)        - Ineos Grenadiers
52. Bob Jungels (LUX)          - AG2R-Citroën              Zeit
86. Fabio Jakobsen (NED)       - Quick Step Alpha Vinyl     +6:01
92. Peter Sagan (SVK)          - Totalenergies              +6:01
- 166 Teilnehmer, davon 159 klassiert.

 

In der Startliste von Mailand-Sanremo 2022 stehen 24 Teams – die 18 aus der WorldTour, die besten 3 der letztjährigen ProTeam-Rangliste (Alpecin-Fenix, Arkéa-Samsic, Totalenergies) sowie 3 vom Veranstalter mit Wildcards bedacht: Bardiani-CSF, Drone Hopper-Androni, Eolo (alle Italien). Ursprünglich hatte auch Gazprom-Rusvelo (Russland) eine Wildcard erhalten. Doch wegen des Krieges von Russland gegen die Ukraine entschied der Weltverband UCI, russische Teams vom Rennbetrieb auszuschließen.

Anstiegekm-Zeit
Turchinopass151,113:39
Capo Mele51,515:52
Capo Cervo46,615:59
Capo Berta38,816:11
Cipressa21,616:40
Poggio di Sanremo5,517:02
Zielankunft auf der Via Roma in Sanremo:
Kilometer 293,0 ca. 17:09 Uhr

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