Mailand-Sanremo 2020

(ITA/1.UWT) - Siegerliste Mailand-Sanremo

Van Aert bezwingt Alaphilippe im Zweiersprint

Wout van Aert (Jumbo) gewann die Sommerausgabe der Primavera, das wegen des Coronavirus vom März in den August verschobene Monument Mailand-Sanremo 2020. Der 25-jährige Belgier setzte sich im packenden Zweiersprint um ein knappes Vorderrad gegen den Vorjahressieger Julian Alaphilippe (Deceuninck) durch. Im nur wenige Radlängen dahinter folgenden Hauptfeld sprintete Michael Matthews (Sunweb) auf den 3. Platz vor Peter Sagan (Bora) und Giacomo Nizzolo (NTT).

Am letzten Anstieg, dem Poggio di Sanremo, war Alaphilippe wie im Vorjahr nach einer Attacke der Stärkste. Oben hatte er 5,5 Kilometer vorm Ziel 4 Sekunden Vorsprung vor van Aert und 10 vor einer geschlossenen großen Gruppe. Die Kurven in der Abfahrt nahm Alaphilippe suboptimal, so dass van Aert schnell aufschloss. Das Duo kroch die 2 flachen Schlusskilometer angesichts von über 30 Grad im Schatten bei einer Distanz von 305 Rennkilometern (plus 10 Kilometern Neutralisation) auf dem Zahnfleisch. Die Verfolger schienen heranzukommen. Ihnen gingen aber etwa 600 Meter vorm Ziel kurz die Helfer aus.

Van Aert und Alaphilippe bekamen deswegen trotz ein wenig Pokerns ihre Chance auf den Triumph. Als Alaphilippe aus hinterer Position an der 200-Meter-Marke antrat, legte auch van Aert los und blieb zu jedem Zeitpunkt in Front. Der 3-malige Querfeldein-Weltmeister feierte seinen ersten Sieg bei einem der 5 Monumente. Wie Alaphilippe anderthalb Jahre zuvor hatte auch van Aert im Vorlauf zu Mailand-Sanremo auf den Strade Bianche gewonnen.

Strecke stark verändert

Der Nachholtermin für Mailand-Sanremo 2020 war der 8. August. Pikant daran: Nach der rund 4-monatigen Coronavirus-Pause hatten die Fahrer kaum Gelegenheit, vor dem 300-Kilometer-Monument, also dem längsten Rennen im Kalender, Rennkilometer zu sammeln. Und die Strecke musste bis auf die letzten knapp 40 Kilometer stark verändert werden: Kein Turchinopass, keine Capi (Mele, Cervo, Berta), dafür die 2 neuen Anstiege Niella Belbo und Colle di Nava im Piemont. Die Ausweichroute wurde nötig, weil am Küstenabschnitt vor Imperia die meisten Bürgermeister während der Hauptferienzeit keine Corona-gemäße Absperrung errichten wollten. Ab Imperia wurde dann aber das bekannte Finale mit Cipressa und Poggio gefahren. Weitere 6 Kilometer kamen kurzfristig hinzu wegen einer weiteren Umleitung im Piemont, so dass es sich um die längste Ausgabe dieses Rennen bei seiner 111. Austragung handelte, und die mit Abstand späteste innerhalb eines Kalenderjahres.

Zuzüglich zum etwas schwierigeren Profil überraschte der Veranstalter die Teams knapp 2 Wochen vor dem Rennen mit der Nachricht, dass pro Team nur 6 anstatt 7 Starter dabei sein dürfen. Als Grund wurde angegeben, dass so 2 italienische Teams mehr eingeladen werden könnten, ohne die Gesamtgröße des Pelotons zu erhöhen.

Die frühe Spitzengruppe des Tages bestand bei Mailand-Sanremo 2020 aus 7 Fahrern – Alessandro Tonelli (Bardiani), Fabio Mazzucco (Bardiani), Manuele Boaro (Astana), Hector Carretero (Movistar), Mattia Bais (Androni), Damiano Cima (Gazprom) und Marco Frapporti (Vini Zabu). Das Septett hatte maximal unter 7 Minuten Vorsprung. So ging es, sieht man vom Sturzaus von Matteo Trentin (CCC) ab, ereignislos über die Ausweichroute im Piemont nach Ligurien. Mit Eintritt in die bekannten letzten 36 Kilometer wurden die letzten der frühen Ausreißer gestellt. Alaphilppe musste kurz parken wegen eines Defekts.

Aber wie immer Warten auf den Poggio

Im Cipressa-Anstieg attackierte Loic Vliegen (Circus) 27 Kilometer vor dem Ziel. Jacopo Mosca (Trek) setzte nach, doch beide wurden schon vor der Kuppe wieder eingeholt. Von den Spitzensprintern sah man Caleb Ewan (Lotto) und Fernando Gaviria (UAE) unter den ersten Abgehängten. In der Abfahrt riss Daniel Oss (Bora) 20 Kilometer vorm Ziel eine Lücke auf, die 9 Kilometer später rechtzeitig am Fuße des Poggio gestopft war von einem doch schon recht dezimierten Hauptfeld.

8,5 Kilometer vor dem Ziel fuhren Gianluca Brambilla (Trek) und Aimé de Gendt (Circus) eine leichte Lücke heraus zum Hauptfeld, aus dem Alaphilippes endschneller Teamkollege Sam Bennett nun abreißen ließ. Brambilla stellte es 2 Kilometer später auf. De Gendt war allerdings nur sehr kurze Zeit vorne, weil nun Alaphilippe zum Angriff blies. Niemand konnte folgen. Nur van Aert hielt den Zeitverlust zu Alpahilippe bis oben dergestalt in Grenzen, dass er am Ende mit Alaphilippe um den Sieg fahren konnte.

Unter den Verfolgern setzte Matthews im Zielsprint ein Achtungszeichen nach seiner überraschenden Nicht-Berücksichtigung im Tour-de-France-Kader seines Teams. Sagan belegte wie schon beim Vorbereitungsrennen Mailand-Turin 3 Tage zuvor den 4. Platz, damals direkt hinter van Aert. Der dort siegreiche Arnaud Démare (Groupama) kam in Sanremo zwar in der Matthews-Gruppe ins Ziel, allerdings nur an vorletzter Stelle auf dem 24. Platz. Und Ewan war wie die meisten anderen Top-Sprinter nicht mehr in dieser demnach 23-köpfigen ersten Verfolgergruppe vertreten.

 

Sa 8. August 2020
Ergebnis der 111. Auflage Milano-Sanremo (305,0km)
 1. Wout van Aert (BEL)        - Jumbo-Visma              7:16:09
 2. Julian Alaphilippe (FRA)   - Deceuninck-Quick Step    gl.Zeit
 3. Michael Matthews (AUS)     - Sunweb                     +0:02
 4. Peter Sagan (SVK)          - Bora-Hansgrohe
 5. Giacomo Nizzolo (ITA)      - NTT
 6. Dion Smith (NZL)           - Mitchelton-Scott
 7. Alex Aranburu (ESP)        - Astana
 8. Greg van Avermaet (BEL)    - CCC
 9. Philippe Gilbert (BEL)     - Lotto-Soudal
10. Matej Mohoric (SLO)        - Bahrain-McLaren
11. Andrea Vendrame (ITA)      - AG2R La Mondiale
12. Tadej Pogacar (SLO)        - UAE-Emirates
13. Mathieu van der Poel (NED) - Alpecin-Fenix             alle
14. Oliver Naesen (BEL)        - AG2R La Mondiale
15. Michal Kwiatkowski (POL)   - Ineos
16. Davide Formolo (ITA)       - UAE-Emirates
17. Matteo Jorgenson (USA)     - Movistar
18. Alberto Bettiol((ITA)      - EF
19. Zdenek Stybar (CZE)        - Deceuninck-Quick Step    gleiche
20. Tiesj Benoot (BEL)         - Sunweb
21. Aimé de Gendt (BEL)        - Circus-Wanty Gobert
22. Gorka Izagirre (ESP)       - Astana
23. Vincenzo Nibali (ITA)      - Trek-Segafredo
24. Arnaud Démare (FRA)        - Groupama-FDJ
25. Damiano Caruso (ITA)       - Bahrain-McLaren           Zeit
26. Robert Stannard (AUS)      - Mitchelton-Scott          +0:08
27. Kristian Sbaragli (ITA)    - Alpecin-Fenix            gl.Zeit
28. Lorenzo Rota (ITA)         - Vini Zabù-KTM            gl.Zeit
29. Anthony Turgis (FRA)       - Total Direct Energie       +0:14
30. Giulio Ciccone (ITA)       - Trek-Segafredo           gl.Zeit
...
38. Nacer Bouhanni (FRA)       - Arkéa Samsic               +1:03
39. Elia Viviani (ITA)         - Cofidis                    +1:24
51. Marcus Burghardt (GER)     - Bora-Hansgrohe             +2:42
52. Stefan Küng (SUI)          - Groupama-FDJ               +2:42
60. Sam Bennett (IRL)          - Deceuninck-Quick Step      +4:26
63. Sonny Colbrelli (ITA)      - Bahrain-Merida             +4:46
83. Alexander Kristoff (NOR)   - UAE-Emirates               +6:21
91. Fernando Gaviria (ITA)     - UAE-Emirates               +9:24
- 162 Teilnehmer, davon 149 klassiert.
Anstiegekm-Zeit
Niella Belbo137,615:13
Colle di Nava69,616:47
Cipressa21,517:57
Poggio di Sanremo5,518:20
Zielankunft auf der Via Roma in Sanremo:
Kilometer 305,0 ca. 18:27 Uhr

Erst Erdrutsch und dann Virus-Panik

Im März musste der Giro-Veranstalter RCS nach Strade Bianche auch Tirreno-Adriatico und Mailand-Sanremo wegen des Coronavirus abgesagen, dazu die Sizilien-Rundfahrt. Die italienische Regierung hatte kurz zuvor ein Dekret über die Unterlassung von Sportveranstaltungen mit Zuschauern verhängt. Radrennen im Freien waren damit praktisch nicht durchführbar. Die 3 im Absatz erstgenannten Rennen werden im August und September nachgeholt, wie aus dem überarbeiteten WorldTour-Kalender hervorgeht. Diesen veröffentlichte der Weltverband UCI am 5. Mai in der optimistischen Annahme, dass ab August wieder alles paletti ist

Die 111. Auflage von Mailand-Sanremo stand von Beginn an unter keinem guten Stern. Erst stellte die Meldung von einem Erdrutsch an der Poggio-Straße eine Austragung infrage. Dann kam noch der Coronavirus hinzu. So wird das traditonell erste Saison-Monument in diesem Jahr erstmals in seiner seit 1907 reichenden Geschichte nicht als Frühjahrsklassiker ausgefahren. Seit 1923 lag der Termin immer im März und davor spätestens Mitte April.

Dabei hätte es im März 2020 zumindest nicht am Poggio-Erdrutsch gelegen. Die Reparatur-Arbeiten am letzten Berg vor den Toren von Sanremo kosteten zwar angeblich 10 Millionen Euro, doch von einer Absage aufgrund des Erdrutsches war zuletzt keine Rede mehr. Bei den letzten 3 Ausgaben von Mailand-Sanremo waren Ausreißversuche am Poggio von Erfolg gekrönt. Ohne Poggio hätte der letzte Anstieg dann Cipressa gehießen oder das Rennen wäre wegen des Erdrutsches abgesagt worden.

Doch dann drohte von ganz anderer Seite Ungemach: Das weltweit grassierende Coronavirus (SARS-CoV-2) hatte sich in Europa insbesondere in Norditalien breit gemacht. Zahlreiche Sportveranstaltungen standen deswegen auf der Kippe. Nach einem Hin- und Her, was die Verlautbarungen des Veranstalters anging, schufen einige Top-Teams bereits Tatsachen, indem sie die Teilnahme an sämtlichen kommenden Rennen in Italien absagten oder sogar ganz den Rennbetrieb einstellten. Es folgte am 4. März das erwähnte Dekret der Regierung Italiens (gut 2 Wochen vor Mailand-Sanremo).

Der Veranstalter fabulierte dann von einer Verlegung der ausgefallenen Rennen in den Juni oder in den Herbst und vermied den Begriff Absage. Stattdessen war von einer «Verschiebung» die Rede – wie (un-)realisitsch das auch immer sein mochte angesichts des prall gefüllten Rennkalenders und des unklaren weiteren Verlaufs der Pandemie. Nun sollte es also am 8. August passieren – parallel zur Polen-Rundfahrt und zur Tour de l'Ain.

Wildcards wurden jedenfalls verteilt für Mailand-Sanremo 2020, und zwar an Alpecin, Arkéa, Gazprom und Vini Zabù. Die 19 WorldTour-Teams und die 2 besten ProTeams des Vorjahres (Total, Circus-Wanty) waren automatisch qualifiziert. Knapp 2 Wochen vor dem Rennen überraschte der Veranstalter die Teams mit der Nachricht, dass pro Team nur 6 anstatt 7 Starter dabei sein dürfen. Als Grund wurde angegeben, dass so 2 italienische Teams mehr eingeladen werden könnten (Androni, Bardiani), ohne die Gesamtgröße des Pelotons zu erhöhen.

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