Giro d'Italia 2020 - 18. Etappe

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Hindley siegt vor Hart, beide fast in Rosa!

Auf der prickelnd spannenden Stelvio-Etappe wurde das Gesamtklassement des Giro d'Italia 2020 auf links gedreht. Am 18. Renntag verlor João Almeida (Deceuninck) nach 15 Etappen im Rosa Trikot fast 5 Minuten. Auch der bisherige Gesamtzweite Wilco Kelderman (Sunweb) büßte über 2 Minuten auf die Tagesbesten ein, übernahm aber trotzdem hauchdünn die Gesamtführung. Vorn blies Tao Geoghegan Hart (Ineos), lange Zeit unterstützt vom Teamkollegen Rohan Dennis, rund 50 Kilometer vorm Ziel in der imposanten Ost-Rampe am Stilfser Joch zum Angriff. An Harts Hinterrad klebte aber Keldermans Teamkollege Hindley, der nur die letzten 50 Meter der 18. Etappe im Wind absolvierte, als er Hart kurz vorm Ziel an den Laghi di Cancano nach 207 Kilometern für den Etappensieg absprintete. In der Gesamtwertung trennen Kelderman, Hindley und Hart 3 Tage vor Schluss nur 15 Sekunden!

Den 3. Platz belegte Pello Bilbao (Bahrain) mit 46 Sekunden Rückstand. Auch er rückte näher ans Rosa Trikot heran. Im Ziel folgten Jakob Fuglsang (Astana) mit 1:25 und Kelderman mit 2:18 Minuten Rücktand. Aus der Verfolgergruppe um Almeida, der bereits am Stilfser Joch weit zurückgefallen war, löste sich im Schlussanstieg Patrick Konrad (Bora) für den 6. Platz 4:04 Minuten hinter Hindley und Hart. Almeida kämpfte sich 4:51 hinter dem Spitzenduo ins Ziel. Trotz dieses Rückstands konnte nicht von einem Einbruch die Rede sein, belegte Almeida doch immerhin den 7. Platz und ließ beispielsweise Vincenzo Nibali (Trek) hinter sich. Für Rafal Majka (Bora) ging es im 9 Kilometer langen Schlussanstieg aus der Almeida-Gruppe in die gegenteilige Richtung wie für seinen Teamkollegen Konrad.

Almeida am Stilfser Joch fast 4 Minuten hinten

Die Hauptauslese geschah allerdings im 25 Kilometer langen Anstieg zum Stilfser Joch, das bei 3 Grad und Schnee am Straßenrand 37,6 Kilometer vorm Ziel überquert wurde. Dort waren Dennis, Hart und Hindley zuerst oben, 45 Sekunden vor dem isolierten Kelderman und 3:40 Minuten vor einer Gruppe mit Almeida, dessen Teamkollegen Masnada sowie Hermann Pernsteiner (Bahrain), Konrad und Majka. Zwischen Kelderman und dieser Gruppe hingen noch Bilbao und Fuglsang, der isolierte Nibali und überraschend Bilbaos Helfer Domen Novak.

In der langen Abfahrt und bis zum Fuße des Schlussanstiegs opferte sich Dennis für Hart auf, weswegen die Lücken nach hinten größer wurden. Insbesondere Kelderman ließ als Solist über eine Minute liegen und wurde zu Beginn des Schlussanstiegs von Bilbao und Fuglsang förmlich überrollt. Bilbao legte ein fulminantes Finale hin, hängte Fuglsang 7 Kilometer vorm Ziel ab. Kelderman konnte den Zeitverlust auf etwas über 2 Minuten eindämmen. Nibali stand wie Kelderman hinter dem Stiflser Joch als Solist auf verlorenem Posten und kam deswegen nur noch zeitgleich mit Almeida ins Ziel.

 

Ergebnis
 1. Jai Hindley (AUS)          - Sunweb                   6:03:03
 2. Tao Geoghegan Hart (GBR)   - Ineos                    gl.Zeit
 3. Pello Bilbao (ESP)         - Bahrain-McLaren            +0:46
 4. Jakob Fuglsang (DEN)       - Astana                     +1:25
 5. Wilco Kelderman (NED)      - Sunweb                     +2:18
 6. Patrick Konrad (AUT)       - Bora-Hansgrohe             +4:04
 7. João Almeida (POR)         - Deceuninck-Quick Step      +4:51
 8. Vincenzo Nibali (ITA)      - Trek-Segafredo           gl.Zeit
 9. Hermann Pernsteiner (AUT)  - Bahrain-McLaren          gl.Zeit
10. Fausto Masnada (ITA)       - Deceuninck-Quick Step      +4:55
11. Rafal Majka (POL)          - Bora-Hansgrohe             +6:43
12. Domen Novak (SLO)          - Bahrain-McLaren            +8:15
13. Domenico Pozzovivo (ITA)   - NTT                        +8:17
14. Rohan Dennis (AUS)         - Ineos                      +8:33
15. Ben O'Connor (AUS)         - NTT                       +11:48
16. Ben Swift (GBR)            - Ineos                     +14:48
17. Larry Warbasse (USA)       - AG2R La Mondiale          +15:01
18. Aurél. Paret-Peintre (FRA) - AG2R La Mondiale         gl.Zeit
19. Sergio Samitier (ESP)      - Movistar                  +16:22
20. Sam Oomen (NED)            - Sunweb                    +20:43
...
28. James Knox (GBR)           - Deceuninck-Quick Step     +26:58
39. Brandon McNulty (USA)      - UAE-Emirates              +29:37
- 134 Fahrer klassiert.
DNF Manuele Boaro (ITA)        - Astana
DNS Giovanni Visconti          - Vini Zabù-KTM

 

Kelderman schlüpft mit 12 Sekunden ins Rosa Trikot

12 Sekunden rettete Kelderman in der Gesamtwertung vor seinem Teamkollegen Hindley – und 15 vor dem Gegner Tao Geoghegan Hart. Zwischen diesem Trio ist völlig offen, wer bei je noch einer ausstehenden Flach-, Berg- und Zeitfahretappe den Gesamtsieg holt. Bilbao positionierte sich mit 1:19 Minuten Rückstand in Lauerstellung für eine Podestplatzierung. Almeida reihte sich auf dem 5. Platz ein, 2:16 Minuten hinter dem verlorenen Rosa Trikot. Fuglsang verbesserte sich vom 12. auf den 6. Platz, Konrad vom 9. auf den 7. Platz. Für Nibali ging es knapp hinter Konrad einen Platz nach hinten. Majka und Pozzovivo (NTT) fielen hinter Masnada und Pernsteiner aus den Top-Ten heraus. (Nachtrag: Pernsteiner bekam hinterher eine 20-Sekunden-Zeitstrafe und lag damit wieder hinter Majka auf dem 11. Platz.)

 

Gesamtwertung
 1. Wilco Kelderman (NED)      - Sunweb                  77:46:56
 2. Jai Hindley (AUS)          - Sunweb                     +0:12
 3. Tao Geoghegan Hart (GBR)   - Ineos                      +0:15
 4. Pello Bilbao (ESP)         - Bahrain-McLaren            +1:19
 5. João Almeida (POR)         - Deceuninck-Quick Step      +2:16
 6. Jakob Fuglsang (DEN)       - Astana                     +3:59
 7. Patrick Konrad (AUT)       - Bora-Hansgrohe             +5:40
 8. Vincenzo Nibali (ITA)      - Trek-Segafredo             +5:47
 9. Fausto Masnada (ITA)       - Deceuninck-Quick Step      +6:46
10. Rafal Majka (POL)          - Bora-Hansgrohe             +7:28
11. Hermann Pernsteiner (AUT)  - Bahrain-McLaren            +7:43
12. Domenico Pozzovivo (ITA)   - NTT                        +9:34
13. Sergio Samitier (ESP)      - Movistar                  +26:12
14. Brandon McNulty (USA)      - UAE-Emirates              +33:12
15. James Knox (GBR)           - Deceuninck-Quick Step     +34:49
16. Antonio Pedrero (ESP)      - Movistar                  +40:59
17. Aurél. Paret-Peintre (FRA) - AG2R La Mondiale          +41:11
18. Larry Warbasse (USA)       - AG2R La Mondiale          +44:45
19. Ben Swift (GBR)            - Ineos                     +49:11
20. Ilnur Sakarin (RUS)        - CCC                       +51:18
21. Sam Oomen (NED)            - Sunweb                    +53:45
22. Ben O'Connor (AUS)         - NTT                     +1:00:12

 

In der Anfangsphase der 18. Etappe bildete sich eine Spitzengruppe mit Felline (Astana), Cataldo (Movistar), de Gendt (Lotto), Rossetto (Cofidis), Navarro (Israel) und Ganna (Ineos), zu der nach 44 Kilometern Swift (Ineos), O'Connor (NTT), Tonelli (Bardiani) und Carretero (Movistar) stießen. Außerdem fanden noch Guerreiro (EF), Dombrowski (UAE), Holmes (Lotto), Meintjes (NTT), Pedrero and Samitier (beide Movistar) Anschluss. Den ersten Bergpreis gewann Ruben Guerreiro, den zweiten am Hofmahdjoch Thomas de Gendt vor Guerreiro. Da Visconti (Vini Zabù) zur 18. Etappe wegen Knieproblemen nicht mehr antrat, hatte Guerreiro sein Bergtrikot so gut wie sicher.

 

Bergwertung
 1. Ruben Guerreiro (POR)      - EF                        234 p.
 2. Thomas de Gendt (BEL)      - Lotto-Soudal              122
 3. Tao Geoghegan Hart (GBR)   - Ineos                     115
 4. Rohan Dennis (AUS)         - Ineos                     103
 5. Ben O'Connor (AUS)         - NTT                        71
 6. Wilco Kelderman (NED)      - Sunweb                     54
 7. Jai Hindley (AUS)          - Sunweb                     52
 8. Filippo Ganna (ITA)        - Ineos                      48

 

Das Hauptfeld ließ unter Führung von Keldermans Team die Spitzengruppe nicht weit weg, so dass vorne an einen Etappensieg nicht zu denken war. Ben O'Connor hielt sich dennoch wacker an der Spitze bis 45 Kilometer vorm Ziel, als er rund 7 Kilometer unterhalb des Stilfser Jochs zuerst von Dennis, Hart und Hindley überholt wurde. Das Hauptfeld war im Vinschgau noch relativ groß, zerflog dann aber auf der wohl großartigsten aller Alpenpassstraßen in seine Einzelteile.

Stunde der Wahrheit am Stilfser Joch

Noch früh, im bewaldeten Teil, ließ Pozzovivo abreißen. Almeida rang lange verbissen um Anschluss und war 48 Kilometer vorm Ziel endgültig abgehängt. Er befand sich aber in bester Gesellschaft, konnten doch Majka und Konrad die ausgegebene Marschroute, das Podest anzugreifen, nicht umsetzen. Masnada ließ sich für Almeida zurückfallen, hatte aber in der Folgezeit selbst zu kämpfen, in der Gruppe mit seinem Kapitän zu bleiben, in der sich außer Konrad und Majka auch Pernsteiner aufhielt. Die erste Verfolgergruppe von O'Connor bestand noch aus Dennis, Hart, Hindley, Kelderman, Nibali und Fuglsang. Knapp dahinter rangierten noch Novak mit Bilbao.

47 Kilometer vorm Ziel konnten Fuglsang und Nibali das von Dennis angeschlagene Tempo nicht mehr mitgehen, und einen Kilometer später traf dies auch auf Kelderman zu. Dessen Team war nun vor die komfotable Zwickmühle gestellt, Hindley auf Kelderman warten oder an Harts Hinterrad festbeißen zu lassen. Hindley blieb vorn bei Hart, was sich im Lichte des Etappensiegs und Rosa Trikots als richtige Entscheidung erwies, mit Blick auf die weitere Ausgangsposition nur 15 Sekunden vor Hart im Nachhinein noch als Fehlentscheidung herausstellen könnte.

Hindley und Kelderman kriegen Jacken nicht zu

In den letzten Kehren zum 2.746 Meter hohen Joch verlor Nibali den Anschluss zu Fuglsang und den inzwischen dazugekommenen Bilbao und Novak, der wiederum wenig später sein Werk erledigt hatte. Angesichts der Kälte kümmerten sich die meisten Fahrer schon früh um wärmende Jacken. Hindley und Kelderman hatten größeren Schwierigkeiten beim Ankleiden. Minutenlang suchten sie mit ihrem zweiten Arm nach dem Ärmel. Nachdem dies endlich gelang, bekamen sie jedoch den Reißverschluss nicht eingefädelt. Da beide im gleichen Team fahren, sollte der Grund nicht nur bei Nervosität und kalten Fingern gesucht werden, sondern auch beim Kleidungsausrüster (Craft), der anscheinend nicht in der Lage war, einfach zu handhabende Reißverschlüsse bereitzustellen.

Cima Coppi an phänomenalen Dennis, Kelderman isoliert

Dennis überquerte das Stilfser Joch zuerst und sackte die Cima-Coppi-Prämie für den höchsten Berg des Giro 2020 ein. Sein Teamkollege Hart ließ ihn gewähren, und Hindley hatte mit seiner Jacke zu kämpfen. Die lange Abfahrt absolvierte Hindley mit flatternder Jacke. Kelderman warf diesen bremsenden «Fallschirm» hingegen bald weg. Das Teamfahrzeug zog an Kelderman vorbei, um vorne Hindley zu versorgen. Kelderman nahm danach scheinbar für eine Weile die Beine und nahm einen stark anwachsenden Rückstand zur Spitze in Kauf. Ob dies geschah, weil er wahlweise ausgekühlt, entkräftet und demoralisiert war? Oder wollte er sich taktisch Kräfte für den Schlussanstieg sparen und hoffte auf den Anschluss und die Mithilfe von Bilbao und Fuglsang?

Jedenfalls hatten Bilbao und Fuglsang erst im unteren Bereich des Schlussanstiegs Kelderman eingeholt und preschten sofort vorbei. Für eine kurze Zeit sah es so aus, als würde das Rosa Trikot nur noch zwischen Hart und Hindley entschieden. Nachdem Dennis vor dem Schlussanstieg ausgeschert war, fuhr Hart alles von vorne – und es endete umgekehrt als auf der 15. Etappe, also nun mit Hindley als Sieger. Kelderman berappelte sich, übernahm aber das Rosa Trikot mit einem alles andere als komfortablen Vorsprung.

Als potenzielles Zünglein an der Waage verbuchten Hindley und Hart 10 und 6 Sekunden Bonifikation für die Plätze 1 und 2 im Ziel. Vor der 18. Etappe lag Hindley nur eine Sekunde vor Hart. Beim Zwischensprint 11 Kilometer vorm Ziel kehrte sich die Ausgangslage durch den Sieg von Hart um. Hart holte hier 3 Sekunden, Hindley hinter Dennis nur eine. Dafür – wichtiger – feierte Hindley an den Laghi di Cancano seinen ersten Profisieg in Europa und den sechsten insgesamt.


Etappen-Vorschau: Mit dem Rennrad Ende Oktober übers 2.758 Meter hohe Stilfserjoch? Einen Versuch ist es ja wert. Aber wenn schon nicht die Corona-Krise den Giro stoppt, dann vielleicht Schnee an dem legendären Anstieg mit den 48 (!) Serpentinen. Sollte zwischen dem Startort Pinzolo und dem Bergaufziel an den Laghi di Cancano eine Ausweichstrecke nötig sein, entfällt auch noch das Hofmahdjoch aus dem Profil der 18. Giro-Etappe 2020. Geplant sind 208 Rennkilometer, die gleich steigend zum ersten Bergpreis hin beginnen. Nach dem nächsten Berg, dem Hofmahdjoch, erfolgt die lange Anfahrt zum Fuße des Stilfserjochs. Das ist auf einer Länge von 24,7 Kilometer bergauf bei im Schnitt 7,5 % zu erklimmen. Wem es hier noch nicht den Zahn zieht – es gibt noch die lange Abfahrt vom Stilfserjoch und den 8,7 Kilometer langen und im Schnitt 6,8 % steilen Torri-di-Fraele-Anstieg. Oben angekommen führen die letzten 2 Kilometer flach ins Ziel zu den Laghi di Cancano. Sollte das Stilfserjoch nicht gestrichen werden, ist dies eine der beiden Königsetappen.

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Giro d'Italia 2020
18. Etappe (207,0km)
von Pinzolo 10:20
nach Laghi di Cancano 16:26

2 -km194 10:58 Campo Carlo Magno
1 -km142 13:23 Hofmahdjoch
S -km63 14:15 Prad am Stiflserjoch
C -km38 15:26 Stilfserjoch
S -km11 16:01 Isolaccia Valdidentro
1 -km2 16:23 Torri di Fraele

Etappensieg:
Jai Hindley (AUS)

Rosa Trikot:
Wilco Kelderman (NED)

Maglia Ciclamino:
Arnaud Démare (FRA)

Blaues Bergtrikot:
Ruben Guerreiro (POR)

Jungprofi-Wertung:
Jai Hindley (AUS)

Teamwertung:
Ineos

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