Mailand-Sanremo 2024

(ITA/1.UWT) - Siegerliste Mailand-Sanremo

Philipsen vor Matthews und Pogacar

Jasper Philipsen (Alpecin), und nicht sein großer Kapitän van der Poel, triumphierte bei Mailand-Sanremo 2024 im Sprint einer 12-köpfigen Gruppe der Besten. Der 26-jährige Belgier überholte Michael Matthews (Jayco) um 2 Hochprofilfelgen für seinen ersten Sieg bei einem Radsport-Momument. Mit einer Radlänge Rückstand folgte Tadej Pogacar (UAE) auf dem 3. Platz. Pogacar und Vorjahressieger Mathieu van der Poel hatten 5,6 Kilometer vorm Ziel den Poggio-Gipfel nur wenige Radlängen vor den nächsten Verfolgern überquert. Es entwickelte sich wie so oft ein mitreißendes, auch taktisch-geprägtes Finale auf den letzten 2,3 flachen Kilometern, nachdem die Verfolger in der Abfahrt herangerollt waren.

Ex-Sieger Matej Mohoric (Bahrain) ging ausgangs der Abfahrt. Van der Poel führte die anderen heran. Matteo Sobrero (Bora), der Mohoric zuerst erreicht hatte, attackierte 1,3 Kilometer vor Schluss drüber. Tom Pidcock (Ineos) stieg hinterher und setzte sich auf der Zielgeraden in Front. Van der Poel holte die Kastanien – wie sich dann herausstellte – mustergültig für seinen Teamkollegen Philipsen aus dem Feuer. Mads Pedersen (Lidl) hatte mit einem weiteren Ex-Sieger, Jasper Stuyven, nun eigentlich einen optimalen Anfahrer vor sich. Doch als Matthews antrat, gingen Philipsen und Pogacar hinterher – und Pedersen vergeigte mit leeren Beinen die große Chance.

Hinter Pedersen belegte der zuletzt formstarke Alberto Bettiol (EF) den 5. Platz vor Mohoric und Maxim van Gils (Lotto). Die 3 ehemaligen Sanremo-Sieger Stuyven, Julian Alaphilippe und van der Poel komplettierten die Top-Ten. In der Zeit des Siegers wurden außerdem Pidcock und Sobrero gewertet. Sozusagen im Windschatten van der Poels feierte der nach Siegen stark erfolgsverwöhnte Philipsen seinen noch einmal mit Abstand größten individuellen Triumph. Das Erfolgsduo deutete mit den Plätzen 1 und 2 bei Paris-Roubaix im Vorjahr bereits an, wie gut es als doppelte Speerspitze bei den großen Klassikern fungieren kann.

Vor Mailand-Sanremo 2024 war allseits vom Duell zwischen van der Poel und Pogacar die Rede – und wie schnell Pogacars Team den vorletzten Anstieg nach Cipressa hochknallen würde. Doch die Auffahrt verlief aus Pogacars Sicht nicht optimal, weil alle Helfer außer Tim Wellens zu schnell verschlissen waren. So nahm ein noch ziemlich großes Feld den Poggio-Anstieg in Angriff. Die folgenden 2 Attacken von Pogacar hätten gereicht, wenn der Zielstrich oben gewesen wäre.

So aber entstand ein Szenario, das eigentlich dem am dritthöchsten gewetteten Fahrer auf den Leib geschneidert war. Doch Mads Pedersen blieb einmal mehr den Beweis schuldig, bei normalen Wetter-Bedingungen die ganz großen Coups feiern zu können. Matthews, ehemals ein Siegkandidat bei solchen Rennen, zeigte auf der Zielgeraden hingegen auf. Anstatt des großen Sieges sprang jedoch wieder einmal ein Podestplatz heraus, von denen der Australier bei Mailand-Sanremo und Straßen-Weltmeisterschaften inzwischen 6 sammelte. Denn Philipsen hatte den besseren Tigersprung gezeigt. Und für Pogacar, den komplettesten Fahrer der jüngeren Radsport-Geschichte, erwies sich das längste Monument erneut als einen Tick zu einfach, so dass er weiterhin bei 3 der 5 Monumente in der Siegerliste steht.

Nach dem Vorjahr zum 2. Mal machten sich die Fahrer bei Mailand-Sanremo nicht in dem namensgebenden Startort auf die Reise, sondern diesmal in Pavia südlich der lombardischen Metropole. Die Streckenlänge summierte sich so auf «nur» 288 Kilometer, womit Mailand-Sanremo von der Renndistanz her trotzdem das längste der Monumente blieb – das Ganze bei bewölktem Himmel und teilweise Rückenwind-Verhältnissen.

11 frühe Ausreißer führten das Rennen über weitere Teile an: Baldaccini, Conti, Zarenko (alle Corratec), Germani (Groupama), Samitier (Movistar), Combaud (DSM), Bais, Maestri, Pietrobon (alle Polti), Tonelli und Zoccarato (VF). Diese Spitzengruppe wurde an der sehr kurzen Leine gehalten. Der Vorsprung fürs Hauptfeld betrug fast durchweg zwischen 2 und 3 Minuten.

Der lange Spannungsbogen spannte sich allmählich an der ligurischen Küste. An den 3 Capi, den eher unspektakulären Anstieg an der Küstenstraße vor Cipressa und Poggio, nahm die Hektik zu. Stürze blieben zum Glück selten. 40 Kilometer vor dem Ziel ließ an der Capo Berta bereits Christophe Laporte (Visma) abreißen. Mit diesem ernüchternden Auftritt konnte er teamintern nicht im Ansatz die Lücke auffüllen, die wegen des Fernbleibens von Wout van Aert entstanden war. Ausgerechnet das erste große Rennen der Saison 2024 wurde damit zum bisher mit 15 Siegen erfolreichsten Team zum Debakel. Van Aert, dem sein bisher einziger Sieg bei einem Monument in Sanremo gelang, schonte sich angeblich für die folgenden Pflaster-Klassiker.

Eingangs der Cipressa-Steigung war der Vorsprung der verbliebenen Spitzenreiter auf unter eine Minute gesunken. Pogacars Mannen brauchten eine Weile, um sich vorne zu sammeln. Aus dem angekündigten Rekord-Tempo wurde letztlich nichts, so dass sogar Samitier, das Team-Trio Bais, Maestri und Pietrobon sowie Tonelli 12 Sekunden vor dem noch relativ großen Hauptfeld über den Gipfel rollte. In der Abfahrt bedeutete ein Sturz von Samitier die Einholung.

Im Flachstück in Richtung Poggio präsentierte sich noch einmal Mattia Bais als Solo-Ausreißer, was angesichts der harten Positionskämpfe im Verfolgerfeld eine kurze Episode blieb. Der Richtung Cipressa bereits abgehängte Sprinterhüne Jonathan Milan (Lidl) konnte sich beispielsweise noch behilflich zeigen für Pedersen und Stuyven.

Den Poggio-Anstieg hinauf dauerte es in Folge der Positionskämpfe etwas, bis sich Wellens mit Pogacar am Hinterrad in Front setzte. Dahinter war schnell die Hackordnung hergestellt – mit van der Poel direkt dahinter sowie nachfolgend zum Beispiel Ganna, Pidcock, Bettiol oder Pedersen im Wechsel. 6,5 Kilometer vorm Ziel und bereits einen Kilometer unterhalb des Gipfels setzte Pogacar seine erste Attacke, nachdem Wellens schon recht lange vorne war. Van der Poel, Bettiol und Pidcock sprangen hinterher, Pedersen und Matthews folgten als nächste.

Als Pogacar merkte, dass er nicht allein weggekommen war, nahm er das Tempo heraus, so dass weitere Fahrer aufschlossen. Aus einer unbeachteten Situation links hinten in der Gruppe forcierte der Slowene seine weitere Atacke 5,8 Kilometer vorm Ziel. Eine Lücke war entstanden. Van der Poel sprintete hinterher und war oben so gut wie dran. Die nächste Gruppe folgte unmittelbar.

Die Abfahrt fuhr Pogacar von vorne. Pidcock holte die beiden als erster ein. Die Gruppe wuchs auf insgesamt 12 Fahrer an, die den Sieg unter sich ausmachten. Mohoric setzte seine Attacke nicht wie bei seinem Sieg vor 2 Jahren weiter oben, sondern eher im Stile von Stuyven vor 3 Jahren ausgangs der Abfahrt. Ohne den entschlossen nachfahrenden van der Poel hätte diese brandgefährliche Aktion vermutlich einen weiteren Triumph in Sanremo für Mohoric bedeutet. Nach der Einholung probierte es mit Sobrero der vielleicht überraschendste Fahrer des Dutzend an der Spitze. Pidcocks Konter hatte ähnliches Potenzial wie Mohorics Antritt davor. Wieder löschte Weltmeister van der Poel den Brand fast im Alleingang. 35 Sekunden hinter der Spitze führte Casper Pedersen (Soudal) ein erstes 27-köpfiges Verfolgerfeld vor Olaf Kooij (Visma) über die Ziellinie auf der Via Roma.

 

Sa 16. März 2024, Abbiategrasso - Sanremo
Ergebnis der 115. Auflage Milano-Sanremo (288,0km)
 1. Jasper Philipsen (BEL)     - Alpecin-Deceuninck       6:14:44
 2. Michael Matthews (AUS)     - Jayco-Alula
 3. Tadej Pogacar (SLO)        - UAE-Emirates
 4. Mads Pedersen (DEN)        - Lidl-Trek
 5. Alberto Bettiol (ITA)      - EF Education-Easypost
 6. Matej Mohoric (SLO)        - Bahrain Victorious        alle
 7. Maxim van Gils (BEL)       - Lotto-Dstny
 8. Jasper Stuyven (BEL)       - Lidl-Trek
 9. Julian Alaphilippe (FRA)   - Soudal-Quick Step        gleiche
10. Mathieu van der Poel (NED) - Alpecin-Deceuninck
11. Tom Pidcock (GBR)          - Ineos Grenadiers
12. Matteo Sobrero (ITA)       - Bora-Hansgrohe            Zeit
13. Casper Pedersen (DEN)      - Soudal-Quick Step          +0:35
14. Olav Kooij (NED)           - Visma-Lease a Bike
15. Laurence Pithie (NZL)      - Groupama-FDJ
16. Kasper Asgreen (DEN)       - Soudal Quick Step
17. Corbin Strong (NZL)        - Israel-Premier Tech
18. Simon Clarke (AUS)         - Israel-Premier Tech
19. Quentin Pacher (FRA)       - Groupama-FDJ
20. Benoît Cosnenfroy (FRA)    - Decathlon-AG2R            alle
21. Matteo Trentin (ITA)       - Tudor
22. Samuele Battistella (ITA)  - Astana-Kasaschstan       gleiche
23. Stefan Küng (SUI)          - Groupama-FDJ
24. Vincenzo Albanese (ITA)    - Arkéa-B&B Hotels          Zeit
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Favoriten-Vorschau

Mailand-Sanremo wurde 2024 hochstilisiert zum Duell zwischen Vorjahressieger Mathieu van der Poel (Alpecin) und Tadej Pogacar (UAE). Erstaunlicherweise hatte Pogacar im Vorfeld bei den meisten Buchmachern die Nase leicht vorn, vermultich wegen seines neuerlichen Husarenstücks bei Strade Bianche. Van der Poel hingegen dürfte die Strecke besser liegen. Zwischen den beiden landeten im Vorjahr Filippo Ganna (Ineos) und Wout van Aert (Visma). Van Aert schont sich 2024 erstaunlicherweise für die Pflaster-Klassiker, obwohl er in Sanremo sein bisher einziges Monument gewann. Stattdessen bietet das Team Christophe Laporte als Kapitän auf. Ganna hat als aussichtsreichen Co-Kapitän Tom Pidcock dabei.

Am dritthöchsten gewettet wird indes Mads Pedersen (Lidl), bei dem allerdings etwas die Fantasie fehlt, wie er der lachende Dritte werden könnte, wenn van der Poel oder Pogacar überraschend nicht siegen. Zuletzt drängten sich außerdem Toms Skujins (auch Lidl) und Alberto Bettiol (EF) für den erweiterten Favoritenkreis auf. Von den ehemaligen Siegern besticht Matej Mohoric (Bahrain) nach wie vor durch seine Abfahrtskünste. Ein weiterer Ex-Sieger, Jasper Stuyven, wird sich vielleicht sogar Pedersen und Skujins unterordnen müssen.. Die Sprinter Philipsen (Alpecin), Kooij (Visma) und Milan (Lidl) haben alle einen aussichtsreicheren Kapitän im Team. Mit einem Sprint rechnen die meisten ohnehin nicht mehr, eher mit einem Höllentempo über die Capi durch Pogacars Helfer.

Strecke

Die Strecke von Mailand-Sanremo 2024 ist 6 Rennkilometer kürzer als die letzten Jahre, kommnt aber immer noch auf stattliche 288 Kilometer. Dies liegt am neuen Startort Pavia südlich von Mailand. Im letzten Jahr erfolgte der Start erstmals außerhalb Mailands, da allerdings westlich der lombardischen Metropole. Vor der Auffahrt über den Turchinopass mündet der 2024er-Kurs in altbekanntes Terrain. Danach geht es wie gewohnt entlang der ligurischen Mittelmeerküste inklusive der 3 Capi sowie Cipressa und Poggio.

Anstiegekm-Zeit
Turchinopass149,713:40
Capo Mele51,615:51
Capo Cervo46,715:53
Capo Berta38,916:10
Cipressa21,716:38
Poggio di Sanremo5,617:00
Zielankunft auf der Via Roma in Sanremo:
Kilometer 288,0 ca. 17:07

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