Straßen-WM 2024 in Zürich - Straßenrennen

Übersicht WM 2024 - Siegerliste Straßenrennen

So 29. September 2024
Location: Zürich (SUI)
Distanz: 273,9 km

Pogacar brilliert mit 102-Kilometer-Offensive

Tadej Pogacar (Slowenien) wurde in Zürich 2024 überragend erstmals Straßen-Weltmeister. Mit einer 102-Kilometer-Offensive erwischte der Top-Favorit seine größten Konkurrenten auf dem falschen Fuß. Danach zog Pogacar den fortan um eine Minute schwankenden Vorsprung schwer beeindruckend durch. Von letztlich 7 Verfolgern setzte sich Ben O'Connor (Australier) kurz vor Schluss im Flachen für Silber ab. Titelverteidiger Mathieu van der Poel (Niederlande) sprintete an Toms Skujins (Lettland) vorbei zu Bronze.

Mit 26 Jahren war Pogacar bereits vor diesem Tag eine lebende Legende. Nun fügte der stärkste Fahrer des letzten halben Jahrhunderts seiner Erfolgsgeschichte ein weiteres Kapitel hinzu und schlüpfte erstmals ins Regebogentrikot des Weltmeisters. Das Triple innerhalb einer Saison aus Gesamtsiegen bei Giro d'Italia und Tour de France sowie dem WM-Titel im Straßenrennen hatten vor ihm nur Eddy Merck 1974 und Stephen Roche 1987 erreicht. Aber diesen Schneid muss man erst einmal haben, 102 Kilometer vorm Ziel zur Attacke zu blasen und das auch durchzuziehen. Im Sieger-Interview bezeichnet Pogacar dies als «dummer Attacke». Es klappte trotzdem.

In der Gruppe mit van der Poel gehörten außer dem undankbar leer ausgegangene Skujins außerdem die hoch gewetteten Remco Evenepoel (Belgien) und Marc Hirschi (Schweiz) zu den Geschlagenen, dazu Ben Healy (Irland) und Enric Mas (Spanien). Skujins und Healy bildeten längere Zeit ein erstes Verfolgerduo. Die nächsten Fahrer ab Platz 9 waren im Ziel nach 273,9 Rennkilometern über eine weitere Minute zurück.

Das Wetter beim WM-Straßenrennen war trocken und heiter bis wolkig, bei Temperaturen bis 14 Grad – also deutlich besser als an den Vortragen in den Rennen der Frauen und Nachwuchsklassen, wo Dauerregen und noch etwas kältere Temperaturen herrschten. Die 6-köpfige frühe Spitzengruppe umfasste Dillier (Schweiz), Foss (Norwegen), Geschke (Deutschland), Oliveira (Portugal), Pekela (Polen) und Wirtgen (Luxembirg). Das Sextett wurde allerdings nicht weit weggelassen. Insbesondere die Helfer von Pogacar kontrollierten die Nachführarbeit im Hauptfeld, mit etwas Unterstützung der Belgier und Niederländer, die neben Pogacar mit Evenepoel und van der Poel auch die nächstgrößten Favoriten stellten.

130 Kilometer vorm Ziel eröffnete Pablo Castrillo (Spanien) eine erstaunlich frühe Phase der Attacken aus dem Hauptfeld heraus, bei über 3 Minuten Rückstand auf die Spitze. Die Slowenen unterbunden diese Attacke im Keim. Ein paar Attacken und 3 Kilometer später hatten sich 10 Fahrer gelöst: de Plus (Belgien), Tratnik (Slowenien), Cattaneo (Italien), Cort (Dänemark), Siwakow (Frankreich), Williams (Großbritannien), Vine (Australine), Vermaerke (USA), Staune-Mittet (Norwegen) und Lipowitz (Deutschland). Diese Verfolgergruppe holte das Spitzensextett 105 Kilometer vorm Ziel ein und hatte da über 2 Minuten Vorsprung vorm Hauptfeld.

Es folgte die Attacke von Pogacar, auf die nur Andrea Bagiolo (Italien) und Quinn Simmons (USA) reagierten. Doch beide konnten schon bald nicht mehr das Hinterrad des Überfliegers halten. Pogacar schaute sich mehrmals um, als wäre er erstaunt, dass niemand mehr bei ihm war. 5 Kilometer nach seiner Attacke fuhr er auf den wartenden Teamkollegen Jan Tratnik auf, der ihn weitere 5 Kilometer später zur Spitzengruppe pilotierte, die nun 17 Fahrer umfasste.

Die Lücke nach hinten war auf fast eine Minute aufgegangen, als die Belgier den Ernst der Lage begriffen und das komplette Team einspannten, um den Abstand wieder unter 40 Sekunden zu drücken. Doch dadurch waren auch schnell alle Helfer Evenepoels verbrannt. Tratnik konnte noch 12 Kilometer Gas geben, ehe er am längsten Anstieg an der Bergstrasse ausscherte. Pogacar hängte dort alle Fahrer aus der Spitzengruppe ab, die zu diesem Zeitpunkt noch vorn dabei waren, mit Ausnahme von Pawel Siwakow, der im Alltag imselben Team wie Pogacar unter Vertrag ist (UAE). Pogacar schien oben zu warten, um wenigstens noch ein kleines bisschen Gesellschaft an der Spitze zu haben.

Im Verfolgerfeld entbrannte nach einer Attacke von Evenepoel 72 Kilometer vorm Ziel eine anhaltende Springerei in wechselnden Konstellationen. Dies hatte zur Folge, dass sich das Verfolgerfeld einerseits deutlich verkleinerte, andererseits der Vorsprung Pogacars je nach Geschwindigkeit hinten zwischen 40 und 60 Sekunden pendelte. Innerhalb der letzte 60 Kilometer kristallisierte sich ein Verfolgertrio aus Skujins, Healy und Oscar Onley (Großbrtiannien) heraus.

Im vorletzten langen Anstieg eingangs der vorletzten Runde flog dann alles auseinander. An der Spitze konnte Siwakow das Tempo von Pogacar nicht mehr halten und fiel am Ende weit zurück. Onley musste Skujins und Healy ziehen lassen. Aus der nächsten Gruppe setzte sich van der Poel ab. Evenepoel brachte sich und 13 weitere Fahrer zurück zu van der Poel, der soeben Onley aufgelesen hatte, so dass 16 Verfolger 1:20 Minuten hinter Pogacar unterwegs waren. Davor fehlten Healy und Skujins 50 Sekunden.

Bauke Mollema opferte sich als letzter Teamkollege für van der Poel auf. In der Gruppe fuhren jetzt außerdem nur noch Evenepoel, Mas, Roger Adria (auch Spanien), Romain Bardet, David Gaudu  (beide Frankreich), Onley, O'Connor, Hirschi, Simmons und Mathias Vacek (Tschechien). An den Abständen änderte das nicht wirklich etwas.

Zu Beginn der Schlussrunde attackierte Hirschi, dann Mas, der zu ihm vorfuhr. Evenepoel setzte nach mit van der Poel am Rad, verfolgt von O'Connor. Die finale Auslese für die Plätze hinter Pogacar war geschehen. 17 Kilometer vorm Ziel wurde Skujins und Healy zuerst von Hirschi und Mas gestellt, aber unmittelbar danach auch von van der Poel, Evenepoel und O'Connor. Plötzlich kam dann doch ein leiser Zweifel auf, ob Pogacar sein Riesensolo zu Gold vollenden könnten, nachdem der Vorsprung erstmals seit langem unter die 40-Sekunden-Marke gefallen war.

Doch die 7 Verfolger schauten sich einmal zu lange an, und der Abstand wuchs wieder um ein paar Sekunden. Im Ziel waren es für Pogacar wegen des ausführlichen Jubelns auf der Zielgraden schließlich 34 Sekunden vor O'Connor, der seine 6 Konkurrenten mit einer satten Attacke im letzten Flachstück überraschte. Um Bronze zog Skujins den Sprint früh an und bekam auch eine Lücke, war dann aber van der Poel deutlich unterlegen.

 

Ergebnis
 1. Tadej Pogacar (SLO)         6:27:30
 2. Ben O'Connor (AUS)            +0:34
 3. Mathieu van der Poel (NED)    +0:58
 4. Toms Skujins (LAT)           alle
 5. Remco Evenepoel (BEL)       gleiche
 6. Marc Hirschi (SUI)           Zeit
 7. Ben Healy (IRL)               +1:00
 8. Enric Mas (ESP)               +1:01
 9. Quinn Simmons (USA)           +2:18
10. Romain Bardet (FRA)          alle
11. Roger Adria (ESP)           gleiche
12. Bauke Mollema (NED)          Zeit
13. Mads Pedersen (DEN)           +3:52
14. Markus Hoelgaard (NOR)
15. Georg Zimmermann (GER)
16. Oscar Onley (GBR)            alle
17. Brandon McNulty (USA)
18. Jai Hindley (AUS)           gleiche
19. Kevin Vermaerke (USA)
20. Mathias Vacek (CZE)          Zeit
21. Archie Ryan (IRL)             +6:04
22. Valentin Madouas (FRA)      gl.Zeit
23. Frederik Wandahl (DEN)      gl.Zeit
24. Magnus Cort (DEN)             +6:36
25. Giulio Ciccone (ITA)
26. Juan Ayuso (ESP)
27. Attila Valter (HUN)
28. Florian Lipowitz (GER)
29. Felix Großschartner (AUT)
30. Adam Yates (GBR)             alle
31. Wilco Kelderman (NED)
32. Alexander Wlasow            gleiche
33. David Gaudu (FRA)
34. Matteo Jorgenson (USA)       Zeit
35. Pawel Siwakow (FRA)           +6:40
36. Simon Geschke (GER)           +7:01
37. Stefan Küng (SUI)           gl.Zeit
38. Romain Grégoire (FRA)       gl.Zeit
39. Neilson Powless (USA)        +12:09
40. Harold Tejada (COL)
...
42. Rui Costa (POR)
50. Georg Steinhauser (GER)
57. Tom Pidcock (GBR)
59. Carlos Rodriguez (ESP)       alle
60. Daniel Martinez (COL)
64. Primoz Roglic (SLO)         gleiche
65. Bob Jungels (LUX)
68. Simon Yates (GBR)            Zeit
69. Antonio Tiberi (ITA)         +19:23
76. Sebast. Schönberger (AUT)   gl.Zeit
- 196 Teilnehmer, davon 81 klassiert.

 

Strecke und Favoriten

Die Distanz des WM-Straßenrennens von Zürich 2024 beträgt 273,9 Kilometer zuzüglich 4,5 Kilometer Neutralisation im Startort Winterthur. Nach der Anfahrt von Winterthur aus biegen die Fahrer bei Rennkilometer 85,9 auf den Zürcher Rundkurs ein, der ungefähr siebeneinhalb Mal zu bewältigen ist, mit 7 Zieldurchfahrten am Sechseleutenplatz. Der wesentliche Anstieg des Rundkurses führt nach Witikon bis nach Binz. Danach geht es über Zumikon und runter zum Zürichsee über Küsnacht bis ins Ziel. Das Ganze summiert sich auf 4470 Höhenmeter. Als Startzeit in Winterthur wird 10:30 Uhr angebenen. Mit dem Ende bei der 7. Zieldurchfahrt wird ungefähr gegen 17 Uhr gerechnet, bei 45er-Schnitt auch schon um 16:45 Uhr.

Im Vorfeld des Regenbogenrennens gehen die Ansichten auseinander, ob die Strecke zu schwierig für Titelverteidiger Mathieu van der Poel (Niederlande) oder zu leicht für den Top-Favoriten Tadej Pogacar (Slowenien) ist? Der ebenfalls hoch gewettete Weltmeister von vor 2 Jahren sowie Olympiasieger Remco Evenepoel (Belgien) hat anders als bei diesen 2 Triumphen diesmal nicht den verletzten Wout van Aert als Teamkollegen in der Nationalmannschaft in der Hinterhand. Pogacar könnte hingegen diesmal eine Doppelspitze mit Primoz Roglic bilden. Die beiden Slowenen gewannen 2024 alle 3 großen Rundfahrten, Roglic zuletzt die Vuelta. Pogacar greift zum Triple innerhalb eines Kalenderjahres aus Giro, Tour und WM, was vor ihm nur Eddy Merck 1974 und Stephen Roche 1987. Zu den größten Medaillenkandidaten gehört außer den bisher genannten bei seiner Heim-WM Marc Hirschi (Schweiz), der zuletzt von Sieg zu Sieg eilte, allerdings bei eher kleineren Rennen.

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