Straßen-WM 2022 in Wollongong - Straßenrennen

Übersicht WM 2022 - Siegerliste Straßenrennen

So 25. September 2022
Location: Helensburgh - Wollongong (AUS)
Distanz: 266,8 km

Evenepoel mit 2:21 Vorsprung zu Gold

Die Konkurrenten hätten es eigentlich mittlerweile längst wissen müssen: Ist Remco Evenepoel (Belgien) einmal nach vorne weg, dann ist er weg für immer. Der 22-jährige aktuelle Lüttich- und Vuelta-Sieger triumphierte so beim WM-Straßenrennen 2022 im australischen Wollongong. 25,6 Kilometer vorm Ziel schüttelte Evenepoel in der vorletzten Runde am Mount Pleasant seinen letzten Begleiter Alexej Luzenko (Kasachstan) ab. Luzenko wurde 5 Kilometer vor Schluss von einem Verfolgerquartett gestellt. Diese 5 Fahrer schmissen dann aber durch ausgiebige Taktiererei die Medaillenchance einfach weg.

Die meisten Rennfavoriten spielten keine Rolle und hätten sich die weite Reise nach Australien fast sparen können, weil sie 77 Kilometer vorm Ziel den Schnitt verpassten und danach hinten taktisch gefangen waren. 2:21 Minuten hinter Evenepoel kamen sie auf der Zielgeraden aber teils doch noch zum Zuge im Sprint um Silber und Bronze, das an Christophe Laporte (Frankreich) und Michael Matthews (Australien) ging. Evenepoels Landsmann und Top-Favorit Wout van Aert verpasste um mehr als eine Radlänge die Medaillenränge.

Knast statt Podium für van der Poel

Ins Gefängnis anstatt aufs Podium ging es für Mathieu van der Poel (Niederlande), der neben Tadej Pogacar (Slowenien) als größter Herausforderer der beiden Belgier Evenepoel und Wout van Aert (Belgien) galt. In der Nacht vor dem Rennen kam es laut van der Poel zu einer Ruhestörung. Der folgende Disput mit einem 13- und 14-jährigen Mädchen wurde laut Polizei-Protokoll, aber entgegen von van der Poels Angaben, handgreiflich. Nachdem van der Poel die Nacht im Knast verbracht hatte, kam er auf Kaution frei und ging an den Start, gab aber schon nach nicht einmal 40 Kilometern auf. Ob unschuldig oder nicht: Das Ganze wird für van der Poel ein Nachspiel in Australien haben. Und mit einem ausgeschliefenen van der Poel wäre das Rennen wahrscheinlich auch anders gelaufen ...

Frühe Action dank der Franzosen

Bereits vor Eintritt in den 12-mal zu fahrenden Rundkurs zeigten die Franzosen, dass sie eine offensive Fahrweise an den Tag legen wollten. Über 208 Kilometer vorm Ziel kam es dadurch am längsten Anstieg des WM-Straßenrennens der Männer-Elite bereits zu einem Riss im Peloton, so dass Titelverteidiger Julian Alaphilippe mit ein paar französischen Teamkollegen sowie unter anderem Evenepoel, Matthews und Girmay (Eritrea) für rund 25 Kilometer im vorderen Teil unterwegs war. Ausgerechnet vor allem die unterlegene deutsche Mannschaft ließ sich zur Nachführarbeit hinreißen.

Zu diesem Zeitpunkt waren bereits 11 Ausreißer vor diesem Geschehen unterwegs. 152 Kilometer vorm Ziel schlossen 5 Verfolger auf. Infolgedessen führten 16 Fahrer eine längere Phase das Rennen mit bis zu 8 Minuten Vorsprung an: Siwakow (Frankreich), Serry (Belgien), Primozic (Slowenien), O'Connor, Plapp (beide Australien), Battistella (Italien), Pellaud (Schweiz), McGill (USA), Coté (Kanada), Fouché (Neuseeland), Owsian (Polen), Kurkle (Tschechien), Liepins (Lettland), Juraj Sagan (Slowakei), Sagiv (Israel) und Sessler (Brasilien).

Auslese um Evenepoel schon weit vorm Ziel

77 Kilometer vorm Ziel kam es am Mount Pleasant zu Attacken in der Spitzengruppe. Entscheidender für den Rennausgang war aber die Attacke aus dem unter 2 Minuten entfernten Hauptfeld von Quentin Pacher (Frankreich). Es bildete sich dadurch eine große Verfolgergruppe mit Pachers Landsmännern Florian Sénéchal und Romain Bardet – aber eben auch den 3 Belgiern Evenepoel, Ben Hermans und Stan Dewulf. Außer Evenepoel waren alle Rennfavoriten im Hauptfeld zurückgeblieben oder im Falle von van der Poel schon längst ausgestiegen. Von den großen Nationen war lediglich Spanien weder ganz vorne noch in der Verfolgergruppe vertreten, allerdings auch ohne großen Favoriten angereist. So wurde vergrößerte sich die Lücke schnell auf 2 Minuten und wurde auch nicht mehr wirklich kleiner gerechnet auf Evenepoel.

Die Verfolgergruppe um Evenepoel hatte innerhalb der letzten 60 Kilometer die Reste der nun ehemaligen Spitzengruppe erreicht, zuletzt Samuele Battistella. Schon bei den folgenden Attacken zeitgte sich Evenepoel besonders aktiv. Doch noch machten seine Mitausreißer nicht den Fehler von Pogacar oder den Australiern, Evenepoel einfach so von der Kette zu lassen. Aus der über 30 Fahrer fassenden Spitzengruppe wurde zunächst jede Attacke sofort pariert.

Pogacar zuckte am Mount Pleasant 43 Kilometer vorm Ziel, als er offensichtlich bereits seine Felle schwimmen sah, kam aber nicht weg. Derweil begann vorne Luzenko neben Evenepoel eine Attacke nach der anderen zu setzen. Als noch 35 Kilometer zu fahren waren, hatten die beiden schließlich die entscheidende Lücke. In der Verfolgung formierte sich ein Quartett aus Pascal Eenkhoorn (Niederlande), Mathias Skjelmose Jensen (Dänemark), Lorenzo Rota (Italien) und Mauro Schmid (Schweiz). Die offensiv-rennentscheidenden Franzosen waren also längst in die Defensive gedrängt.

Verfolger pokern zu hoch um die Medaillen

In der vorletzten Runde ließ Evenepoel im somit vorletzten Anstieg Luzenko schon am Fuße der Steigung stehen und fuhr fortan einem hoch überlegenen Weltmeister-Titel entgegen, der ihm allerdings andererseits auch von der Konkurrenz auf dem Silberblatt präsentiert wurde. Luzenko war über 20 Kilometer als Solist unterwegs, ehe er von den 4 Verfolgern gestellt wurde. In dieser Phase kam der Gruppe kurzzeitg Eenkhorn abhanden. Im Schlusskilometer knallte er jedoch von hinten an den zockenden Luzenko, Skjelmose, Rota und Schmid vorbei. Schmid fuhr das Loch zu.

Es folgte ein erneuter Stillstand in dem Quintett. Deshalb lief kurz vor Schluss nicht nur die nächste Verfolgergruppe um Bardet mit der Favoritengruppe um van Aert, Pogacar sowie den späteren Medaillengewinnern Laporte und Matthews zusammen, sondern auch Luzenko, Eenkhoorn, Skjelmose, Rota und Schmid wurden auf der Zielgeraden geschnappt. Auf dieser versuchte es Jan Tratnik (Slowenien) als Finisseur für Silber. Letztlich entschied Laporte den Sprint mit etwas mehr als einer halben Radlänge vor Matthews für sich.

Evenepoel wurde in Wollongong erster belgischer Straßen-Weltmeister nach 10 Jahren. Der überlegen Junioren-Weltmeister von 2018 fuhr nun auch in der Männer Elite mit großem Vorsprung ins Regenbogentrikot. 22 Jahre alt war 55 Jahre zuvor auch bei seinem ersten WM-Titel Eddy Merckx. Für Laporte war es die erste WM-Medaille. Er rettete damit für die Franzosen das unterhaltsam vorgetragene, aber gegen Evenepoel entglittene Rennen. Matthews, U23-Weltmeister von 2010, hatte seit 2015 bereits vorher Silber und Bronze in Eliterennen der Männer geholt – und rundete so die Heim-WM 2022 an der australischen Küste für den Gastgeber ab.

 

Ergebnis
 1. Remco Evenepoel (BEL)        6:16:08
 2. Christophe Laporte (FRA)       +2:21
 3. Michael Matthews (AUS)
 4. Wout van Aert (BEL)
 5. Matteo Trentin (ITA)
 6. Alexander Kristoff (NOR)
 7. Peter Sagan (SVK)
 8. Alberto Bettiol (ITA)
 9. Ethan Hayter (GBR)
10. Mattias Skjelmose (DEN)
11. Ivan Garcia (ESP)
12. Jan Tratnik (SLO)
13. Lorenzo Rota (ITA)
14. Ben Tulett (GBR)
15. Mikkel Honoré (DEN)
16. Rasmus Tiller (NOR)
17. Mauro Schmid (SUI)
18. Neilson Powless (USA)
19. Tadej Pogacar (SLO)
20. Stefan Küng (SUI)             alle
21. Kevin Geniets (LUX)
22. Romain Bardet (FRA)
23. Attila Valter (HUN)
24. Alexej Luzenko (KAZ)         gleiche
25. Bauke Mollema (NED)
26. Benoît Cosnefroy (FRA)
27. Dylan van Baarle (NED)
28. Pascal Eenkhoorn (NED)        Zeit
29. Valentin Madouas (FRA)         +2:31
30. Jan Polanc (SLO)
31. Sergio Higuita (COL)          alle
32. Jhonatan Narvaez (ECU)       gleiche
33. Nicola Conci (ITA)            Zeit
34. Quinten Hermans (BEL)          +2:34
35. Magnus Cort (DEN)              +3:01
36. Nickolas Zukowsky (CAN)
37. Sven Erik Bystrøm (NOR)
38. Silvan Dillier (SUI)          alle
39. Yukiya Arashiro (JPN)
40. Sebastian Schönberger (AUT)
...                              gleiche
45. Bob Jungels (LUX)
47. Jasper Stuyven (BEL)
51. Julian Alaphilippe (FRA)      Zeit
52. Nikias Arndt (GER)             +3:08
54. Biniam Girmay (ERI)            +3:08
56. Jakob Fuglsang (DEN)           +3:08
66. Nairo Quintana (COL)           +6:11
72. Jannik Steimle (GER)           +6:37
80. Quentin Pacher (FRA)           +8:10
84. Tobias Foss (NOR)              +9:31
- 169 Teilnehmer, davon 103 klassiert.

 

Streckenvorschau

Die WM-Straßenrennen 2022 wird auf einem 17,1 Kilometer langen Stadt-Rundkurs im australischen Wollongong entschieden, rund 80 Kilometer Luftlinie südlich von Sydney. Der Rundkurs beinhaltet den Mount Pleasant mit vorgelagertem Mout Ousley. Der Anstieg zum Mount Pleasant ist 1,1 Kilometer lang, im Schnitt 7,7 % und maximal 14 % steil. Von oben sind es noch rund 7,1 Kilometer ins Ziel auf dem Marine Drive neben dem North Wollongong Beach. Bevor dieser Rundkurs 12 Mal auf dem Programm steht, fällt der Startschuss nördlich von Wollongong in Helensburgh. Nach der Anfahrt entlang des Meeres wird außerdem noch eine Runde mit dem 8,7 Kilometer langen Anstieg zum Mount Kira westlich von Wollongong mitgenommen. Dieser schwierigste Anstieg des Tages steht allerdings schon 225 Kilometer vorm Ziel im Profil.

Die Zielankunft ist für 16:50 Uhr Ortszeit progonostiziert. In Mitteleuropa wird man angesichts 9 Stunden Zeitunterschied den Wecker am Sonntagmorgen stellen müssen – oder gleich ganz wach bleiben. Der Start erfolgt umgerechnet um 1:15 Uhr, die Entscheidung im Gold, Silber und Bronze entsprechend zwischen 8 und 9 Uhr am Morgen.

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