Straßen-WM 2020 in Imola - Straßenrennen

Übersicht WM 2020 - Siegerliste Straßenrennen

So 27. September 2020
Location: Imola (ITA)
Distanz: 258,2 km

Alaphilippe triumphiert nach 12-Kilometer-Solo

Eine kurze, spritzige Attacke gut 12 Kilometer vorm Ziel genügte, dann war er weg: Julian Alaphilippe gewann das WM-Straßenrennen in Imola mit einem kurzen Solo. Der 28-jährige Franzose brachte nach 258,2 Kilometern 24 Sekunden Vorsprung vor 5 Verfolgern ins Ziel. Von denen sprintete Wout van Aert (Belgien) klar auf den Silberrang. Für die Bronzemedaille rettete Marc Hirschi (Schweiz) wenige Zentimeter vor Michal Kwiatkowski (Polen) auf die Linie. Die Plätze 5 und 6 belegten Jakob Fuglsang (Dänemark) und Primoz Roglic (Slowenien). Die nächste Gruppe, ins Ziel geführt von Matthews (Australien), war 53 Sekunden vom neuen Weltmeister Alaphilippe entfernt.

Ausscheidungsrennen, nur Toursieger Pogacar animiert

Auf dem 28,8-Kilometer-Rundkurs mit seinen 2 Anstiegen entwickelte sich ein ereignisloses Ausscheidungsrennen, das vor dem unmittelbaren Finale nur ein Mann animierte: Der frisch gebackene Tour-de-France-Sieger Tadej Pogacar (Slowenien) attackierte in der vorletzten Runde, 42 Kilometer vor dem Ziel, und beschäftigte als Solist an der Spitze mehrere Helfer im Verfolgerfeld – bei zwischenzeitlich fast einer halben Minute Vorsprung. Ziemlich genau eine Runde später war das Solo vorbei, als am somit vorletzten Anstieg zuerst Tom Dumoulin (Niederlande) aus einem auf unter 40 Fahrer geschrumpften Peloton aufschloss.

Als Pogacar und Dumoulin gestellt waren, probierten es nacheinander Damiano Caruso und Vincenzo Nibali (beide Italien) bei ihrer Heim-WM. Nibali bekam auch gemeinsam mit van Aert, Landa (Spanien) und Uran (Kolumbien) eine kleine Lücke hergestellt, die aber bald von den Franzosen gefüllt war. Ansonsten hatten den Tag über vor allem zunächst die Helfer von Hirschi und dann die Helfer von van Aert im Hauptfeld gearbeitet, die Schweizer teilweise unterstützt von den Dänen und Slowenen.

Im letzten und entscheidenden Antsieg eröffnete van Avermaet (Belgien) die Attacken, kam aber überhaupt nicht weg. Mehr saß stattdessen der Antritt von Hirschi, dem nur noch van Aert, Alaphilippe, Caruso, Roglic, Schachmann (Deutschland) folgten, plus mit Verzögerung Kwiatkowski und Fuglsang. Kwiatkowski setzte nun noch einen drauf, was Max Schachmann den Anschluss kostete. Kurz vor der Kuppe sprintete Alaphilippe seinen verbliebenen 5 Begleitern davon.

Von 5 Verfolgern van Aert und Hirschi aufs Podest

Zunächst pendelte der Abstand zwischen 8 und 15 Sekunden. Vorm Eingang in die Motorsportstrecke, die als Start- und Zielareal fungierte, versuchte es van Aert mit der Brechstange, hatte aber die anderen 4 Verfolger noch am Rad, die nun ihrerseits die Kohlen nicht mehr für den endschnellsten Fahrer in der Gruppe aus dem Feuer holen wollte. Den Sprint um den 2. Platz fuhr van Aert hoch überlegen von vorne an. Hinter ihm konnte Hirschi nicht einmal das Hinterrad halten, sich aber gegen den aufkommenden Kwiatkowski zäh behaupten. Fuglsang fehlte auch nicht viel auf Bronze. Er war zu spät angetreten. Roglic hatte sich ohnehin eher hinten aufgehalten und konnte die spektakuläre Vorarbeit seines Landsmanns Pogacar nicht versilbern.

Zur frühen Spitzengruppe des Tages gehörten 7 Fahrer: Koch (Deutschland), Traeen (Norwegen), Friedrich (Österreich), Fomynkh (Kasachstan), Arashiro (Japan), Grosu (Rumänien) und Castillo (Mexiko). Ebenso wie im Hauptfeld, in dem sich überraschend vor allem die Schweizer um die Nachführarbeit kümmerten, kam es an der Spitze zu einem Abnutzungskampf bei nur wenigen zugestandenen Minuten Vorsprung. 100 Kilometer vorm Ziel waren nur noch Jonas Koch und Torstein Traeen vorne übrig. Das Duo wurde innerhalb der letzten 70 Kilometer gestellt, als mal kurz die Franzosen das Tempo nach oben geschraubt hatten. In der Folgezeit verbrauchten dann die Belgier Mann für Mann in der Tempoarbeit, auch während Pogacars Solo.

Die Franzosen waren zur Stelle, als es wirklich wichtig wurde: hinterm vorletzten Berg durch die Helfer, im letzten Berg durch den Kapitän Alaphilippe, der neben van Aert und Fuglsang zu den Top-Favoriten auf den WM-Titel zählte. Alaphilippe fügte seiner ohnehin erfolgreichen Karriere einen ihrer größten Triumphe hinzu, wenn nicht den größten überhaupt. Auf diesen Sieg hatten die Franzosen seit 1997 gewartet.

 

Ergebnis
 1. Julian Alaphilippe (FRA)     6:38:34
 2. Wout van Aert (BEL)            +0:24
 3. Marc Hirschi (SUI)
 4. Michal Kwiatkowski (POL)      alle
 5. Jakob Fuglsang (DEN)         gleiche
 6. Primoz Roglic (SLO)           Zeit
 7. Michael Matthews (AUS)         +0:53
 8. Alejandro Valverde (ESP)
 9. Max Schachmann (GER)
10. Damian Caruso (ITA)           alle
11. Michael Valgren (DEN)
12. Michael Woods (CAN)          gleiche
13. Guillaume Martin (FRA)
14. Tom Dumoulin (NED)            Zeit
15. Vincenzo Nibali (ITA)          +0:57
16. Mikel Landa (ESP)            gl.Zeit
17. Simon Geschke (GER)            +1:34
18. Alberto Bettiol (ITA)
19. Rudy Molard (FRA)
20. Pello Bilbao (ESP)
21. Greg van Avermaet (BEL)       alle
22. Richard Carapaz (ECU)
23. Fausto Masnada (ITA)         gleiche
24. Rigoberto Uran (COL)
25. Richie Porte (AUS)            Zeit
26. Rui Costa (POR)                +2:03
27. Jan Polanc (SLO)             gl.Zeit
28. Jesus Herrada (ESP)          gl.Zeit
29. Toms Skujins (LAT)             +3:40
30. Tiesj Benoot (BEL)             +3:44
...
33. Tadej Pogacar (SLO)            +3:44
47. Diego Ulissi (ITA)            +10:32
53. Sepp Kuss (USA)               +12:35
- 174 Teilnehmer, davon 88 klassiert.

 

Streckenvorschau

Über einen 28,8 Kilometer langen Rundkurs mit 2 Anstiegen sowie Start und Ziel auf der Motorsport-Rennstrecke von Imola verläuft das WM-Straßenrennen 2020. Auf den 9 zu absolvierenden Runden – das entspricht einer Gesamtdistanz von 258,2 Kilometern – sind über die somit 18 Anstiege annähernd 5.000 Höhenmeter zu absolvieren. Die Namen der Anstiege sind Mazzolano und Cima Gallisterna. Beide liegen südlich des Autodrome Enzo e Dino Ferrari, das seinerseits südlich der 70.000-Einwohner-Stadt Imola in der Emilia-Romagna zu finden ist.

Die Anstiege weisen maximale Steigungsprozente von 13 und 14 % auf und sind mit 2,8 und 2,7 Kilometern fast identisch lang. Am Mazzolano-Anstieg werden 166 Höhenmeter erklommen, mit dem steilsten Stück gleich zu Beginn und dann immer flacher werdend, was eine durchschnittliche Steigung von 5,9 % ergibt. Beim 2. Anstieg – Cima Gallisterna werden 173 Höhenmeter erklommen bei im Schnitt 6,4 %. Hier allerdings  kommt das steilste Stück in der Mitte: Über 1,3 Kilometer hinweg steigt die Straße um durchschnittlich 10,9 %. Innerhalb des Rundkurses werden die Bergkuppen jeweils 20,0 und 11,9 Kilometer vor der Ziellinie überquert.

Wenn man den Vergleich zum Profil anderer großer Rennen sucht, kann man wohl von einer etwas schwereren Version des Monuments Lüttich-Bastogne-Lüttich reden. Das Regenbogentrikot sollten also Bergfahrer und Hügelklassikerjäger unter sich ausmachen. Spezialisten für flandrische Pflaster-Klassiker und erst recht Sprinter dürften in Imola nichts zu melden haben. Das wäre auch schon in Aigle in der Schweiz so gewesen, wo die Straßen-WM 2020 noch rund einen Monat vor dem Austragungstermin im Kalender stand. Wegen Corona-Beschränkungen in der Schweiz erfolgte dann aber die Absage und die kurzfristige Findung des neuen Gastgeberortes in Italien. In Imola wurde bereits 1968 ein Rad-Weltmeister im Straßenrennen gekürt.

Favoriten

Als Top-Favoriten aufs Regenbogentrikot galten im Vorfeld van Aert (Belgien), Alaphilippe (Frankreich) und Fuglsang (Dänemark). Als weitere Kandidaten wurden Roglic, Pogacar (beide Slowenien), Hirschi (Schweiz), Kwiatkowski (Polen) und Woods (Kanada) am häufigsten genannt. Vorstellbar für die Medaillenränge waren auch noch Dumoulin (Niederlande), Valverde (Spanien), Ulissi (Italien), Schachmann (Deutschland) und Matthews (Australien) – wobei die 3 Letztgenannten schon nur bei einem taktischen Rennen ohne überragende Attackierer, wovon eigentlich nicht auszugehen war.

www-tipps

Radsport-Seite.de, Homepage / Rad-WM / Straßen-WM 2020 in Imola / Straßen-WM 2020 in Imola, Straßenrennen