Udo Bölts - Der Unkaputtbare

Sein langjähriger Boss Walter Godefroot sagte einmal in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin stern: «Die Bölts geht nie kapütt.»
Der im August 1966 geborene Pfälzer Udo Bölts machte während seiner Vorzeige-Karriere in der Tat nie den Eindruck, als kenne er eine Schmerzgrenze. Sehr wohl aber kannte er seine Leistungsgrenze: Spätestens, als er in Etappenrennen bei seinem Arbeitgeber Telekom den Kapitänsposten an Riis und Ullrich abtreten musste, war ihm klar: Mit dem Podiumsplatz bei der Tour de France würde er nie etwas am Hut haben.
Diese Erkenntnis hatte Bölts jedoch schon 1994 gewonnen, als er bei der Frankreich-Rundfahrt einen bemerkenswerten neunten Gesamtrang herausfahren konnte und Dritter auf der Etappe nach L'Alpe d'Huez wurde. Mehr ging einfach nicht. Doch Bölts versuchte immer das Beste aus seinen Anlagen zu machen. Da schreiben nicht nur seine Erfolge auf dem Papier Bände.

San Sebastian, Hawaii
Udo Bölts feierte seinen größten Sieg 1996, als er sich in die Siegerliste des spanischen Weltcuprennens in San Sebastian eintragen konnte. Ausgerechnet an seinem 30. Geburtstag konnte der Pfälzer den anspruchsvollen Klassiker im Baskenland für sich entscheiden und sich das schönste Geschenk selbst bereiten.
Ein Jahr später standen gar die Straßen-Weltmeisterschaften in San Sebastian auf dem Programm. Aufgrund seines Sieges im Vorjahr musste man auch Bölts auf der Rechnung haben. Und tatsächlich war er wieder glänzend in der entscheidenden Fluchtgruppe positioniert, scheiterte aber im Spurt an Brochard, Hamburger und van Bon. Bölts blieb auf Rang 4 die «Holzmedaille», nachdem er nicht zum ersten und ebenso wenig zum letzten Mal als Kapitän des Bundes Deutscher Radfahrer zum WM-Straßenrennen angetreten war. Auf der einen Seite hatte Deutschland - außer hinterher Jan Ullrich - in den 1990ern keinen Bergfahrer mit Bölts' Kämpfer-Qualitäten zu bieten, auf der anderen Seite trug Mitte eben dieser 90er Jahre die Verlegung der Straßen-WM in den Oktober dazu bei, dass schon viele Profis ihr Pulver in der langen Saison zu diesem Zeitpunkt verschossen hatten. Bei Udo Bölts hingegen schien es immer eine Frage der Ehre zu sein, eine Saison komplett zu fahren.
Ein freiwilliger WM-Verzicht kam für ihn im Jahr 2000 nur deswegen infrage, weil er sich am 14. Oktober beim Ironman-Triathlon auf Hawaii einen Lebenstraum erfüllen wollte. Nur knapp zwei Stunden länger als der Sieger brauchte Bölts für die Kombination aus 3,8km Schwimmen, 180km Radfahren und Marathon. Damit hielt er die eigene Vorgabe, vor Sonnenuntergang anzukommen, deutlich ein.

«Quäl Dich, Du Sau»
In bleibenderer Erinnerung ist jedoch stets Udos freundlicher Anfeuerungsruf in Richtung seines Telekom-Gefährten Jan Ullrich, der gerade auf dem Weg war, die Tour de France zu gewinnen, allerdings bei der letzten Hürde, den Vogesen, begann zu schwächeln. Mit dem inzwischen legendären «Quäl Dich, Du Sau» trieb Bölts seinen Kapitän im Juli 1997 über den Berg. Es wäre wohl nicht fair, Udo Bölts' damalige Leistung auf diesen Spruch zu reduzieren. Denn insgesamt war der Pfälzer bei Ullrichs Triumph neben Bjarne Riis der wichtigste Berghelfer für den ersten deutschen Tour-Gewinner. Seine ausgesprochen starke Form hatte Bölts schon einen Monat vor der Tour u.a. mit einem Sieg beim Alpenrennen Dauphiné Libéré präsentiert.
Für sich selbst brauchte das in Heltersberg wohnhafte Kämpferherz anscheinend keinen Antreiber. An die Grenzen zu gehen, sich zu quälen, das gehörte für Bölts wie selbstverständlich zum Radsportlerleben.

Stuttgart, Telekom, Gerolsteiner
Zum Radsport gekommen war Udo Bölts aber nicht aus eigenen Stücken, sondern wegen seines ebenfalls als Radsportler aktiven älteren Bruders Hartmut, der wie Udo zweimal Deutscher Meister auf der Straße wurde. Nach vier Jahren als Amateur und u.a. einem ausgezeichneten dritten Platz bei der Rheinland-Pfalz-Rundfahrt, bei der viele Cracks aus dem damaligen Ostblock am Start waren, wurde er 1989 Profi beim Team Stuttgart, aus dem 1991 das Team Telekom hervorgehen sollte. Nach langen Jahren der Treue wurde Bölts 2002 aus dem Telekom-Kader aussortiert. Offenbar war Teamboss Walter Godefroot jetzt doch noch zur Ansicht gelangt, dass Bölts nicht mehr unkaputtbar sei.
In der Saison 2003 fand Udo Bölts Unterschlupf beim Gerolsteiner-Rennstall, wo der Haudegen im September 37-jährig seine Karriere in der Heimat bei der Rheinland-Pfalz-Rundfahrt beendete. Der Pfälzer hatte mittlerweile seine 12. Tour de France gefahren, war damit zwischen 1992 und 2003 ununterbrochen dabei und sah jedes Mal die Champs-Élysées auf der letzten Etappe in Paris. Neben dieser Rekordteilnahmezahl für einen deutschen Fahrer beim wichtigsten Radrennen der Welt bestritt Udo viermal den Giro d'Italia - mit dem Glanzpunkt des Tagessieges bei der Königsetappe 1992 - und zweimal die Spanien-Rundfahrt.

Die wichtigsten Profi-Siege und Bölts' Teams:

1989 - Team Stuttgart

1990 - Team Stuttgart
Deutscher Straßen-Meister
Herald Sun Tour

1991 - Team Deutsche Telekom

1992 - Team Deutsche Telekom
3. Etappe Baskenland-Rundfahrt
19. Etappe Giro d'Italia (Saluzzo-Pila)

1993 - Team Deutsche Telekom

1994 - Team Deutsche Telekom
Rund um Köln

1995 - Team Deutsche Telekom
Straßenmeister Deutschland

1996 - Team Deutsche Telekom
7. Etappe Tour de Suisse
5. Etappe Vuelta a Castilla y Leon
Clasica San Sebastian

1997 - Team Deutsche Telekom
GP Kanton Aargau
5. Etappe Bicicleta Vasca
Critérium du Dauphiné Libéré

1998 - Team Deutsche Telekom
GP de Wallonie
Paarzeitfahren Karlsruhe (mit Christian Henn)

1999 - Team Deutsche Telekom
Deutscher Straßenmeister

2000 - Team Deutsche Telekom
3. Etappe Deutschland-Tour

2001 - Team Deutsche Telekom

2002 - Team Deutsche Telekom

2003 - Gerolsteiner

Udo Bölts
* 10.08.1966 in Rodalben

Stand: 29.09.2003

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