Tour de France 2020 - Favoriten

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Mehrere Wochen vor der Tour de France 2020 war die Ausgangslage um den Gesamtsieg eigentlich klar: Jeweils mit Dreierspitzen bestückt würde das Team Jumbo die jahrelange Dominanz des Teams Ineos (ehemals Sky) angreifen. Jedoch türmen sich unmittelbar vor Tour-Start in Sachen Gesamtsieg die Fragezeichen auf. Denn nicht nur die beiden Top-Favoriten Primoz Roglic (Jumbo) und Egan Bernal (Ineos) plagten sich in den den Tagen vor der Tour mit Verletzungen. Und die Ex-Sieger Thomas und Froome (beide Ineoes) wurden wegen Formschwäche gar nicht erst nominiert. Hinzu kommen die Unsicherheiten nach der langen Corona-Pause – nicht zuletzt die Unkenrufe, dass es während des Shutdowns weit weniger oder gar keine Doping-Kontrollen gab ...

Roglic und Vorjahressieger Bernal die Top-Favoriten

Als 23-jähriger Titelverteidiger ist Egan Bernal mit dem jahrelang besten Team im Rücken der logische Favorit – und außerdem nach der Nicht-Berücksichtigung seiner beiden britischen Co-Kapitäne unumstritten. Inwieweit ihm Rückenprobleme zusetzen, weswegen er das Critérium du Dauphiné vorzeitig verließ, ist schwer zu beurteilen. Wegen eines Sturzes bei genau diesem Tour-Vorbereitungsrennen plagen Primoz Roglic tiefe Prellungen und Schürfwunden. Der 30-jährige Slowene gewann seit der letzten Tour de France, auf die er zugunsten von Giro und Vuelta verzichtete, fast jedes Rennen, an dem er teilnahm. Wegen seiner Spritzigkeit auf den letzten 500 Metern ist Roglic im Vorteil gegenüber Bernal, sollte es zu engen Abständen kommen. Die wenigen Zeitfahrkilometer kommen eher Bernal zugute gegen den starken Zeitfahrer Roglic.

Zudem kann Roglic auf eine beinahe schon als Dream-Team zu bezeichnende Helferriege zählen, wobei der Tour-Dritte des Vorjahres, Steven Kruijswijk, wegen eines Schulterbruchs aus der Dauphiné ausfällt. Als Helfer mit dem größten Namen taugt Tom Dumoulin vielleicht sogar für einen Podestplatz. Doch auch Bernals Teams bleibt ohne den Vorjahreszweiten Thomas brandgefährlich. Kein Geringerer als der Giro-Gesamtsieger Richard Carapaz springt ein. Zudem wird Pawel Siwakow der Durchbruch zugetraut – beide allemal Podestkandidaten hinter Roglic und Bernal.

Nach den ersten Eindrücken bei der Dauphiné-Rundfahrt hätte man als erste Kandidaten für den 3. Platz Thibaut Pinot (Groupama) und Emanuel Buchmann (Bora) genannt. Auch Pinot stürzte dort, verkraftete von allen Tour-Favoriten die Blessuren aber wohl am besten. Der Vorjahresvierte Buchmann erlitt vergleichbare Verletzungen mit Roglic. Manch einer schätzt ohnehin Buchmanns ebenfalls deutschen Teamkollegen Lennard Kämna perspektivisch als aussichtsreicher ein. Der aufstrebende Tadej Pogacar (UAE), wie Roglic Slowene, fuhr zuletzt eher unter dem Radar, ist aber angesichts der Sturz- und Krankheitsanfälligkeit von Pinot vielleicht sogar der wahrscheinlichste Podest-Kandidat abseits der beiden alles überragenden Teams.

Die Dauphiné-Rundfahrt gewann überraschend Daniel Martinez (EF) vor Pinot. Das war die letzten Jahre allerdings nicht immer ein gutes Vorzeichen. Nairo Quintana (Arkéa), wie Bernal und Martinez aus Kolumbien, setzte vorr der Corona-Pause im Februar und März zu seinem zweiten oder dritten Frühling an, stürzte aber dann einen Monat vor der Tour de France aufs Knie, so dass nun die Form ebenso ungewiss ist wie bei einem weiteren Kolumbianer, Miguel Angel Lopez (Astana). Im Vorfeld zu gefallen wusste hingegen Guillaume Martin (Cofidis).

Das Gegenteil behaupten kann man von den ehemaligen Grand-Tour-Podestfahrern Romain Bardet (AG2R), Rigoberto Uran (EF), Fabio Aru (UAE), Enric Mas und Alejandro Valverde (Movistar), die so allerdings eigentlich befreit auffahren können. Die Liste der Wundertüten führt wie schon fast gewohnt Mikel Landa (Bahrain) an, einer der Stärksten am Berg, aber auch einer der Zuverlässigsten für Zeitverluste auf Flachetappen. Ähnliches trifft auf Richie Porte (Trek) zu, wenn auch noch mehr mit Akzent auf die Stürze.

Weitere potenzielle Klassementfahrer werden ihr Augenmerk vermutlich eher auf Etappensiege lenken als auf eine hintere Top-Ten-Platzierung, wie Bauke Mollema (Trek), Adam Yates (Mitchelton), Sergio Higuita (EF), Davide Formolo (UAE) oder Warren Barguil (Arkéa). Und der Vorjahresfünfte Julian Alaphilippe (Deceuninck) wird die Endplatzierung einer überragenden Tour de France wohl nur wiederholen können, wenn das Rennen vor den schwersten Bergetappen wegen des Coronavirus vorzeitig abgebrochen wird. Ein solches Szenario hängt ohnehin wie ein Damoklesschwert über der Veranstaltung.

Die Tour de France 2020 auslassen werden unter anderem Jakob Fuglsang (Astana), Vincenzo Nibali (Trek) und Simon Yates (Mitchelton), die stattdessen den Giro-Gesamtsieg anpeilen. Dies dachte man eigentlich auch von Giro-Vorjahressieger Carapaz, der nun – vielleicht sogar als Joker für den Gesamtsieg – doch bei der Tour de France eingesetzt wird. Auch zum Giro statt sofort zur Tour gehen sollte der aufstrebende Remco Evenepoel, der sturzbedingt jetzt aber sowieso erst einmal außer Gefecht ist.

Top-5-Tipp: 1. Roglic, 2. Bernal, 3. Carapaz, 4. Pogacar, 5. Landa. Die meisten Buchmacher sehen Dumoulin auf 3. Aber das wird eher der Gesamtsieg oder gar nichts bzw. teamintern alles für Roglic. Pinot ist der Favorit für ein Rennen über zweieinhalb Wochen bei gleichzeitigem Überraschungsaus von Roglic und Bernal ...

Bergiges Profil schreckt die besten Sprinter ab

Viele der weltbesten Sprinter machen 2020 einen Bogen um die Tour de France und bevorzugen in diesem Jahr den Giro d'Italia, der wegen des Coronavirus ausnahmsweise später als die Tour stattfindet. Grund 1 ist das von Beginn weg bergige Profil der Tour 2020, das den Sprintern wenig Möglichkeiten lässt, wobei der Giro nach der Verlegung der Ungarn-Etappen nach Süditalien für Sprinter auch nicht mehr so viel besser dasteht. Grund 2 ist, dass einige Teams alles auf den Gesamtsieg setzen und deswegen ihren Star-Sprinter zu Hause lassen.

Dabei ist 2020 der Sprinter, der auch im Vorjahr bei der Tour de France die meisten Etappensiege holte: Caleb Ewan (Lotto). Mit ihm messen werden sich in Massensprints Sam Bennett (Deceuninck), Elia Viviani (Cofidis) und der frisch gebackene Europameister Giacomo Nizzolo (NTT). Eher schon Außenseiterchancen haben Peter Sagan (Bora) und Bryan Coquard (B&B Hotels). In flachen Sprints ist außerdem am ehesten noch Cees Bol (Sunweb) zu nennen.

Wird es hügliger, steigen die Chancen von Sagan, Sonny Colbrelli (Bahrain) und Matteo Trentin (CCC). Nie außer Acht lassen darf man Alexander Kristoff (UAE). Diese 10 Fahrer dürften auch das Grüne Trikot des punktbesten Fahrers unter sich ausmachen, das Sagan in 7 der letzten 8 Jahre gewann. Ein heißer Kandidat für alle Sprint- und Hügelfinals und auch das Grüne Trikot wäre Wout van Aert (Jumbo), wenn ihn das auf Gesamtsieg fahrende Team von der Kette lässt.

Weitere regelmäßige Gäste in den Top-Ten der Etappen-Klassements werden wohl Luka Mezgec (Mitchelton), Niccolo Bonifazio (Total), Jasper Stuyven und Weltmeister Mads Pedersen (beide Trek) sein. Beim 11-maligen Tour-Etappensieger André Greipel (Israel) bleibt abzuwarten, ob nicht sogar sein Teamkollege Hugo Hofstetter mehr zeigen kann. Weitere Sprinter werden ihre Interessen den Kapitänen unterordnen müssen, wie beispielsweise die Deutschen Max Walscheid (NTT) und John Degenkolb (Lotto).

Von den schnellsten Sprintern der Welt fehlen nach dem Horror-Sturzdrama von der Polen-Rundfahrt Dylan Groenewegen (Jumbo) und Fabio Jakobsen (Deceuninck). Beide waren aber ohnehin ursprünglich für den Giro vorgesehen. Die Ambitionen auf den Giro verlegen wird Arnaud Démare (Groupama) ebenso wie Fernando Gaviria (UAE). Vielleicht sogar nur die Vuelta bleibt für Pascal Ackermann (Bora), so dass sich 5 der vielleicht 7 oder 8 weltbesten Sprinter die Tour de France 2020 von zu Hause aus anschauen können.

► Startliste der Tour France 2020

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