Paolo Savoldelli - Il Falco

Er ist bekannt für seine waghalsigen Abfahrkünste und wird deswegen von den Tifosi «il falco» (der Falke) gerufen. Der italienische Radrennfahrer Paolo Savoldelli trug wegen seiner jugendlichen Gesichtszüge auch lange Beinamen wie «Engelsgesicht» oder «Babyface». Gute Ergebnisse erreicht der Falke in der Regel nur im April und Mai. 2002 gewann Savoldelli den Giro d'Italia, nachdem viele Konkurrenten aus verschiedensten Gründen die Segel streichen mussten. Der Sieg beim «Euro-Giro», der damals durch sechs EU-Staaten führte, war drei Jahre lang der größte Triumph des in Clusone (nahe Bergamo) geborenen Publikumslieblings. Im Jahr 2005 wiederholte der Falke seinen Gesamtsieg beim Giro.

Der Ritterschlag des Falken
Paolo Savoldelli begann seine Profi-Karriere 1996 in der Roslotto-Mannschaft. Direkt in seinem ersten Jahr als Profi bestritt er die Tour de France und belegte im Endklassement Platz 33. Im Jahr darauf gab er sein Debüt beim Giro d'Italia. Mit Rang 13 deutete Savoldelli 24-jährig seine Talente bei langen Etappenrennen an. 1998 erhielt er deswegen einen Vertrag beim Team Saeco. Bei den «Roten» fuhr er ein passables Frühjahr. Er belegte eine Top-Ten-Platzierung bei der Baskenland-Rundfahrt und holte nebst Etappensieg den Gesamtsieg bei der Trentino-Rundfahrt, die traditionell als Formtest für den Giro d'Italia gefahren wird. Beim Giro selbst verbesserte der Falke mit einem neunten Gesamtrang sein Vorjahresergebnis.
1999 wiederholte Savoldelli seine Vorjahresleistung bei der Trentino-Rundfahrt. Zudem wurde er Vierter bei der Tour de Romandie. Damit hatte er Anlauf genommen auf den Giro d'Italia, bei dem Marco Pantani der große Favorit war. Der «Pirat» hatte 1998 das Double mit Giro- und Toursieg geschafft. Auch 1999 fuhr Pantani beim Giro die Gegner in Grund und Boden. In den ersten zweieinhalb Wochen konnte überraschend der 26 Jahre alte Paolo Savoldelli noch am besten mithalten. Lange Zeit belegte er den 2. Platz hinter Pantani. Die riskanten Attacken auf den Passabfahrten konnten manch eine Schwäche des Falken bei den Anstiegen ausgleichen. Bei seinem Etappensieg in Borgo San Dalmazzo war er todesmutig den Faunierapass heruntergerauscht. Fahrer wie Heras, Simoni und Gotti wirkten hingegen an den Bergankünften vor allem in der letzten Woche, als es in die Dolomiten ging, frischer als Savoldelli.
Zwei Tage vor Rundfahrtende wurde Pantani wegen eines zu hohen Hämatokritwertes ausgeschlossen. Es stand noch eine Dolomitenetappe auf dem Programm. Savoldelli scheiterte schließlich am steilen Mortirolo und musste im Klassement Ivan Gotti passieren lassen. Er beschloss den Giro auf dem 2. Gesamtrang, was alles in allem natürlich einen Erfolg darstellte. Es war der Ritterschlag des Falken, der mit dem Ruf des besten Abfahrers der Welt zur Tour de France reiste. Dort fiel er jedoch nicht weiter auf und schied auf der L'Alpe-d'Huez-Etappe aus.

Zwei Jahre im Sturzflug
Ein guter Kletterer war Paolo Savoldelli zweifelsfrei. Doch ob diese Fähigkeiten überragend genug waren, um bei einer großen Rundfahrt auch ganz vorne landen zu können, daran zweifelte sogar der Falke selbst. Denn 2000 und 2001 brachte er beim Giro nichts zustande. Und auch bei seiner dritten Tour-de-France-Teilnahme im Jahr 2000 hatte man eigentlich mit mehr gerechnet als mit Platz 41. Beim Giro d'Italia 2000 hatte man Paolo Savoldelli durchaus zu den Favoriten gezählt. Auf der einen Seite sprach für den Falken sein tolles Vorjahresergebnis. Auf der anderen Seite kam er mit der Empfehlung eines Start-Ziel-Sieges bei der Tour de Romandie nach Italien. Eine Pechserie mit Reifenpannen und Verwicklungen in Massenstürze ließen die Aussichten Savoldellis auf eine neuerliche Podestplatzierung rasch schwinden. In den Bergen lief dann auch nicht mehr alles wie erwünscht. In Mailand kam Savoldelli auf einem ernüchternden Rang 24 an.
Das Jahr darauf wurde für den Falken ein ähnlicher Flop, obwohl er in gleicher Manier wieder die Tour de Romandie - immerhin ein Etappenrennen der Ehrenkategorie - für sich entscheiden konnte. Paolo Savoldelli erhielt keinen Vertrag mehr beim Saeco-Rennstall, der lieber den aktuellen Giro-Sieger Gilberto Simoni verpflichtete. Stattdessen fand der Falke für das Jahr 2002 Unterschlupf bei der kleineren italienischen Mannschaft von Alexia.

Giro-Triumph, als keiner damit rechnete
Anders als zuvor hatte Savoldelli bei den April-Rennen unmittelbar vor dem Giro d'Italia 2002 nichts gerissen. Dafür war es im März bei Tirreno-Adriatico und Mailand-San Remo schon ganz rund gelaufen. Der Formaufbau für die dreiwöchige Heimatrundfahrt schien nun wieder zu passen. In den ersten beiden Wochen dieses Giro d'Italia bestimmte Savoldelli allerdings noch nicht die Schlagzeilen. Es waren die drei italienischen Siegkandidaten, die jeweils mit kleinen Skandalen die Aufmerksamkeit auf sich zogen. Stefano Garzelli, Giro-Gewinner von 2000, beherrschte das Fahrerfeld in der ersten Woche, bis er wegen einer positiven Dopingprobe ausschied. Auch Vorjahressieger Gilberto Simoni musste wegen einer mysteriösen Dopingaffäre, bei der es sich vornehmlich um peruanische Bonbons einer Tante drehte, den Giro verlassen. Francesco Casagrande schließlich wurde aus dem Rennen genommen, weil er einen Mitfahrer mutwillig in die Absperrung gedrängt hatte. Der Weg zur Giro-Krone war also frei für die Außenseiter.
Es führte immer noch der deutsche Veteran Jens Heppner, als es in die schwersten Berge Richtung Dolomiten ging. Dort eroberte dann zunächst der australische Ex-Mountainbiker Cadel Evans das rosa Trikot von Heppner. Evans brach jedoch auf der noch schwereren Etappe am Folgetag völlig ein. Heimlich, still und leise übernahm Paolo Savoldelli die Führung in der Gesamtwertung. Er war der Stärkste der Spitzenleute am Schlussanstieg nach Folgaria, wo nur der enteilte Pawel Tonkow eher als der Falke das Ziel erreichte. Schon am Vortag hatte Savoldelli in ureigener Manier wertvolle Sekunden auf der Abfahrt vom Pordoipass herausholen können.
Beim letzten Einzelzeitfahren am Vorschlusstag stellte für Savoldelli nur noch Tyler Hamilton eine ernsthafte Bedrohung um den Gesamtsieg dar. Der US-Amerikaner, der das erste lange Einzelzeitfahren gewonnen hatte, fuhr allerdings schon fast den gesamten Giro mit einem Schulterbruch - was erst nachher diagnostiziert wurde. Das rosa Trikot verlieh dem Falken im Kampf gegen die Uhr die sprichwörtlichen Flügel. So war er gar einige Sekunden schneller als Zeitfahras Hamilton. Paolo Savoldelli konnte sich über einen unerwarteten Girosieg freuen, der sicherlich durch die drei Ausschlüsse seiner stärker eingeschätzten Landsleute begünstigt wurde. Andererseits behauptete sich Savoldelli unter den verbliebenen Fahrern als der komplett Stärkste, der nicht nur in den Abfahrten seine Gegner in Schach halten konnte.

Zwei verkorkste Jahre bei Telekom
Noch im Sommer 2002 wurde bekannt, dass Paolo Savoldelli zur neuen Saison ins Team Telekom wechseln würde. Seine Leistungen im Herbst für Index Alexia konnte man nun vergessen. Das war aber all die Jahre davor im Prinzip auch nicht anders gewesen. Das Team Telekom hatte Ende 2002 alles eingekauft, was nicht niet- und nagelfest war. Savoldelli versprach sich neben einem deutlich aufgestockten Gehalt, dass er sich endlich bei der Tour de France als Protagonist beweisen könnte - ob nun als unentbehrlicher Helfer oder sogar als Kapitän.
Nach zwei Jahren Team Telekom bzw. T-Mobile-Team - so wie der deutsche Top-Rennstall ab 2004 hieß - musste eine für beide Seiten tief enttäuschende Bilanz gezogen werden. Beide Saisons konnte Paolo Savoldelli schon frühzeitig abhaken. Das Jahr 2003 hatte kaum begonnen, als der Falke nach einem Trainingsunfall auf Teneriffa lange außer Gefecht gesetzt war. Vor allem im Gesicht verletzte er sich schwer. Für die Tour de France wurde Savoldelli nicht mehr fit. Im Frühjahr 2004 brach sich der Italiener bei einem schlimmen Sturz während des Klassikers Rund um Köln das Handgelenk und das Kreuzbein. Zudem war sein Gesicht wieder schwer verwundet. Aus der Tour im Juli wurde wieder nichts. Als sich auch im Herbst die Ergebnisse nicht einstellen wollten, beendeten T-Mobile und Paolo Savoldelli diese unglückliche Ehe. Nach einer zweijährigen Pechsträhne versuchte der Falke in der Saison 2005 sein Glück beim amerikanischen Armstrong-Rennstall Discovery Channel.

Zweiter Triumph beim Giro
Und siehe da: Beim Giro d'Italia 2005 wiederholte Paolo Savoldelli seinen Gesamtsieg, wenn auch noch knapper als beim ersten Mal. Bei der anschließenden Tour de France stellte sich Savoldelli ganz in den Dienst des Rekordsiegers Lance Armstrong. Zur Freude des Falken sprang neben den erfolgreichen Helferdiensten für seinen Kapitän auch noch ein Etappensieg heraus.

Die wichtigsten Profi-Siege und Savoldellis Teams:

1996 - Roslotto

1997 - Roslotto

1998 - Saeco
2. Etappe Trentino-Rundfahrt (Tione di Trento)
Trentino-Rundfahrt, Gesamtsieg

1999 - Saeco
Trofeo Laigueglia
1. Etappe Trentino-Rundfahrt (Linz/AUT)
Trentino-Rundfahrt, Gesamtsieg
14. Etappe Giro d'Italia (Borgo San Dalmazzo)

2000 - Saeco
3. Etappe Trentino-Rundfahrt (Malecesine)
Prolog Tour de Romandie (Locarno)
Tour de Romandie, Gesamtsieg

2001 - Saeco
Prolog Etappe Tour de Romandie (Pfaffnau)
2. Etappe Tour de Romandie (Vevey)

2002 - Index Alexia
Giro d'Italia, Gesamtsieg

2003 - Team Telekom

2004 - T-Mobile

2005 - Discovery Channel
11. Etappe Giro d'Italia
Giro d'Italia, Gesamtsieg
17. Etappe Tour de France (Revel)

2006 - Discovery Channel
Prolog Tour de Romandie
1. Etappe Giro d'Italia (Seraing/EZF)

2007 - Astana Team
Prolog Tour de Romandie
20. Etappe Giro d'Italia (Verona/EZF)

 

Il Falco bei der Tour de France:
1996  33. für Roslotto
1999  --. für Saeco
2000  41. für Saeco
2005  25. für Discovery Channel
          17. Etappe (Pau - Revel)
2005  --. für Discovery Channel

 

Savoldelli-Seiten im www:
web.tiscali.it/ilfalco (www.ilfalco.3000.it)
www.trap-friis.dk/cykling/italy.Savoldelli.htm

Paolo Savoldelli
* 07.05.1973 in Clusone

Stand: 07.06.2007

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