Johan Museeuw - Der Löwe von Flandern

Johan Museeuw ist einer der besten Klassiker-Jäger aller Zeiten. Der Belgier gewann so ziemlich alles, was es zu gewinnen gibt: Er wurde Straßen-Weltmeister, triumphierte mehrmals bei Paris-Roubaix und Flandern-Rundfahrt, gewann zwei Tour-de-France-Etappen, trug in Frankreich insgesamt fünf Tage das Gelbe Trikot, siegte in Zürich und Hamburg, beim Amstel Gold Race und bei Paris-Tours und noch bei zahlreichen weiteren Halbklassikern, Rundfahrt-Etappen und mehr oder weniger wichtigen Eintagesrennen.
Der wohl größte Sieg gelang dem «Löwen von Flandern», wie ihn Fans und Zeitungen achtungsvoll nennen, allerdings nicht bei einem Rennen, sondern bei der Überwindung seiner schwersten Verletzung. Nach einem Kniescheibenbruch bei Paris-Roubaix 1998 drohte angeblich gar eine Beinamputation, doch Museeuw kehrte wieder auf die Straße zurück - und das nicht selten als Schnellster! Zweieinhalb Jahre nach seinem Karriereende gab Museeuw Doping zu.

Vom Sprinter zum Klassiker-Jäger
Als der im Oktober 1965 geborene Belgier Museeuw seine große Karriere begann, fiel sein Name immer dann, wenn es darum ging, für eine Massenankunft die Favoriten aufzuzählen. Er wurde 1988 Profi beim ADR-Team und wechselte 1990 zur belgischen Lotto-Mannschaft. Dort feierte er noch im selben Jahr seine bis dahin größten Siege. Jeweils im Massenspurt triumphierte Johan Museeuw bei seiner dritten Tour de France auf zwei Etappen, eine davon auf der Champs-Elysées in Paris.
Museeuw war ein Sprinter. Der Belgier feierte zahlreiche Siege, so zum Beispiel auch seinen ersten Erfolg bei einem Weltcup-Rennen in Zürich 1991.
Nach seinem Wechsel von Lotto zu GB-MG gewannen Museeuws Coups deutlich an Stellenwert. 1993 erfüllte er sich einen Kindheitstraum mit seinem ersten von drei Triumphen bei seinem Heimrennen, der Flandern-Rundfahrt. Es folgten Siege bei Paris-Tours 1993 und beim Amstel Gold Race 1994. In diesen beiden Jahren eroberte Johan Museeuw auch für zwei (1993) bzw. drei (1994) Tage das Gelbe Trikot des Gesamtführenden bei der Tour de France.
Der Flame wandelte sich allmählich vom reinen Sprintspezialisten zum Klassikerspezialisten. Später meinten einige «Experten», in Sachen Klassiker sei Museeuw der beste Fahrer nach dem legendären Eddy Merckx. Diese Einschätzung kann man wohl teilen, wenn man den weiteren Werdegang des «Löwen» verfolgt.

Zwei Weltcup-Gesamtsiege und ein Weltmeistertitel
1995 und 1996 waren die beiden herausragendsten Jahre in der Laufbahn des Johan Museeuw. Erfolge bei Flandern-Rundfahrt und der Meisterschaft von Zürich im Trikot seines neuen Teams Mapei, bei dem er bis 2000 blieb, waren 1995 die Basis für Museeuws ersten Gesamtweltcupsieg. 1996 wiederholte er den Weltcup-Triumph, der diesmal von seinem ersten Sieg bei Paris-Roubaix begleitet wurde. Der Belgier gewann per Stallorder vor seinen italienischen Teamkollegen Bortolami und Tafi.
Die Krone setzte Johan Museeuw diesen beiden Superjahren bei der Straßen-WM in Lugano auf. Der Kurs in der Schweiz kam dem Belgier eigentlich gar nicht entgegen, weil er für ihn vermeintlich zu gebirgig war. Doch mit seinem Kampfgeist stürmte der «Löwe» am 13. Oktober zum Weltmeistertitel, setzte sich auf den letzten Metern gegen den Lokalmatadoren Mauro Gianetti durch. Am Ende seiner Karriere stellte Museeuw den Gewinn der WM in Lugano mindestens auf die gleiche Stufe wie die Mehrfachsiege bei seinen Lieblingsrennen Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix.

Kniescheibenbruch
Im Jahr nach dem WM-Erfolg liegt häufig der «Fluch des Regenbogentrikots» über dem Weltmeister. Zwar gelangen Museeuw 1997 einige wichtige Siege, allein ein erster Platz bei einem Weltcup-Rennen fehlte.
Die Saison 1998 hingegen begann Johan Museeuw fulminant mit drei Siegen bei belgischen Frühjahrsklassikern, darunter die Flandern-Rundfahrt. Eine Woche nach der «Ronde» passierte jedoch schließlich das: Am Ende des berühmt-berüchtigten Wald von Arenberg, einer 2,4 Kilometer langen Kopfsteinpflaster-Passage in der Hölle des Nordens von Paris-Roubaix, rutschen etliche Profis auf dem durch Regenschauer seifigen Untergrund bei Rennkilometer 155 weg. Am schlimmsten trifft es Johan Museeuw. Der Sieger von 1996 bricht sich die Kniescheibe, die umgehend fixiert und operiert werden muss. Die französische Sport-Tageszeitung L'Equipe schreibt tags darauf vom «Massaker von Arenberg», welches dem Belgier Museeuw gut und gerne die Karriere hätte kosten können.
In ihrer Besorgnis spekulierten die flämischen Medien über den weiteren Krankheitsverlauf Museeuws heftig drauf los - von «einjähriger Pause» über «Karriereaus» bis hin zur «Beinamputation»! Die Operation des Knies verzögerte sich, weil eine Entzündung drohte. Aber im Spätherbst war Museeuw überraschend schnell wieder da: Er hatte noch Großes in seiner weiteren Laufbahn vor.

Roubaix - noch ein Unfall - Roubaix
1999 musste sich der Flame zunächst mit wenigen Siegen bei kleinen Rennen begnügen. Mit Geduld arbeitete Museeuw auf weitere Höhepunkte hin. So geschah im April 2000 eine Geschichte, wie sie (nur) der Radsport schreibt. Die Pflastersteine zwischen Paris und Roubaix - Ort des Triumphes 1996, Ort des Schicksals 1998. Zwei weitere Jahre später rauscht Johan Museeuw sturzfrei über das Pavé von Arenberg und biegt solo und als Erster ins Velodrom von Roubaix ein. Beim Überfahren der Ziellinie reckt er nicht die Arme in die Höhe, sondern zeigt mit dem Finger auf sein linkes Knie. Museeuw hatte sein Waterloo bezwungen, und zwar auf unnachahmliche Weise.
Im Sommer 2000 wurde Museeuw jedoch bei einem Motorradunfall schwer verletzt und die Fortsetzung seiner Karriere hing ein zweites Mal am seidenen Faden. Knie- und Schlüsselbeinbruch forderten eine erneute Zwangspause und eine weitere anstrengende Reha. Schließlich wollte Museeuw seinen langjährigen sportlichen Leiter und Freund Patrick Lefevere, der in Belgien das neue domo-Team gegründet hatte, nicht im Regen stehen lassen.
Wieder genesen wurde die Saison 2001 für Museeuws Maßstäbe wie schon im Rehabilitationsjahr 1999 eine eher erfolglose. Bei Paris-Roubaix zum Beispiel fuhr er ein blendendes Rennen und wurde Zweiter hinter und vor den Mannschaftsgefährten Knaven und Vainsteins. In anderen Jahren hatte Museeuw oft von einem stark besetzten, ja fast übermächtigen Team profitiert, dieses Jahr waren dann andere an der Reihe.
2002 setzte der Belgier dafür noch einen Sieg in Roubaix drauf. Es war sein insgesamt zehnter Tageserfolg im Weltcup. Eine Woche zuvor hatte der «Löwe von Flandern» noch fast unter Tränen seinen Abschied aus dem Radsport-Zirkus verkündet, nachdem bei seiner heiß geliebten Flandern-Rundfahrt wieder kein Sieg, sondern nur ein zweiter Rang herausgesprungen war.
Trotz eines weiteren Weltcup-Sieges bei den HEW-Cyclassics, die er im Spurt einer starken Ausreißergruppe von vorne (!) gewann, unterlag er im Gesamtweltcup dem noch stärkeren Paolo Bettini.

Die Suche nach einem Happy End
Eigentlich wollte Museeuw 2002 seine Karriere ausklingen lassen, doch nach einem enttäuschenden WM-Heimspiel in Zolder nahm der Belgier noch «seine Klassiker» im Frühjahr 2003 mit. Im neuen Team Quick Step (wieder Teamchef Lefevere) gelang ein Start nach Maß mit seinem zweiten Erfolg beim Omloop Het Volk am 1. März. Das restliche Frühjahr verlief dann aber enttäuschend. Museeuw agierte bei den Klassikern glücklos, hatte Defekte zum genau falschen Zeitpunkt.
Im September geriet der Weltmeister von Lugano plötzlich durch Dopinggerüchte in die Schlagzeilen. Im Rahmen von Fahndungen gegen deb belgischen Tierarzt Jos Landuyt wurde auch das Haus des «Löwen von Flandern» auf dem Kopf gestellt. Der Vorwurf an Museeuw: Mit Codewörtern habe er Doping-Präparate bei besagtem Tierarzt bestellt. Faktisch nachgewiesen wurde Museeuw zunächst nichts, dem Tierarzt hingegen ging es an den Kragen. So fiel ein Schatten auf diese einzigartige Rennfahrerkarriere des Johan Museeuw, der nach den Frühjahrsklassikern 2004 im April endgültig Schluss machte.
Beim Scheldepreis in Schoten am 14. April bestritt Museeuw das letzte Rennen seiner großen Karriere, der ein traumhaftes Ende drei Tage zuvor leider verwehrt blieb. Bei «seinem» Paris-Roubaix bildete sich die entscheidende Spitzengruppe mit dem späteren Sieger Backstedt auf seine Initiative hin. Ein Reifenschaden sieben Kilometer vor dem Rennende ließ den Traum vom vierten Roubaix-Triumph schließlich wie eine Seifenblase platzen. Das Doping-Geständnis
Im Oktober 2004, also fünf Monate nach seinem Karriereende, wurde Johan Museeuw vom belgischen Verband für zwei Jahre wegen Dopings gesperrt. Museeuw hatte bis dahin bestritten, jemals gedopt zu haben. Außerdem war keine seiner Dopingkontrollen jemals positiv. Die Sperre hing offenbar mit der Tierarzt-Affäre zusammen. Genauere Gründe wurden nicht verkündet, weil gleichzeitig ein belgisches Strafverfahren in der Schwebe hing - damals allerdings noch nicht gegen Museeuw, sondern gegen diverse Hintermänner.
Gegen Museeuw selbst (und weitere belgische Fahrer) wurde in Belgien dann Anfang 2006 ein Strafverfahren eröffnet. Es dauerte bis zum Januar 2007, bis Museeuw zugab, er habe gegen Ende seiner Karriere gedopt. Eine Neuigkeit war das aber eher nicht. Zeitungen hatten schon vorher aus den Gerichtsunterlagen zitiert.
Der Zeitpunkt des Geständnisses fiel zusammen mit Doping-Schlagzeilen um Museeuws langjährigen Teamchef Patrick Lefevere. Belgische Zeitungen unterstellten Lefevere unter anderem systematisches Team-Doping in den 1990er Jahren. Träfe dies zu, dann hätte Museeuw in seinem Geständnis etwas untertrieben... Museew arbeitete bis zum Geständnis als PR-Mann in Lefeveres Rennstall Quick Step, obwohl er eigentlich schon lange nicht mehr tragbar war.

Die wichtigsten Profi-Siege und Museeuws Teams:

1988 - ADR

1989 - ADR
5. Etappe Belgien-Rundfahrt

1990 - Lotto
3. Etappe 3 Tage von De Panne
1. Etappe 4 Tage von Dünkirchen
4. Etappe Tour de France (Mont-Saint-Michel)
21. Etappe Tour de France (Paris)

1991 - Lotto
2. Etappe Ruta Del Sol
5. Etappe Ruta Del Sol
5. Etappe 4 Tage von Dünkirchen
3. Etappe Midi Libre
Meisterschaft von Zürich

1992 - Lotto
1. Etappe Valencia-Rundfahrt
2. Etappe Valencia-Rundfahrt
5. Etappe Ruta Del Sol
GP E3 Harelbeke
1. Etappe Bicicleta Vasca
Belgischer Meister (Straße)

1993 - GB-MG
4. Etappe Paris-Nizza
Flandern-Rundfahrt
1. Etappe Tour de Suisse
Paris-Tours

1994 - GB-MG
Kuurne-Brüssel-Kuurne
Amstel Gold Race
8. Etappe Tour de Suisse

1995 - Mapei-GB
Trofeo Laigueglia
Flandern-Rundfahrt
4. Etappe 4 Tage von Dünkirchen
Gesamtsieger 4 Tage von Dünkirchen
GP Eddy Merckx (EZF)
Meisterschaft von Zürich
UCI-Weltcup-Sieger

1996 - Mapei-GB
Pfeil von Brabant
Paris-Roubaix
Belgischer Meister (Straße)
Straßenweltmeister in Lugano
UCI-Weltcup-Sieger

1997 - Mapei-GB
3 Etappen Ruta del Sol
1 Etappe Tirreno-Adriatico
1 Etappe 4 Tage von Dünkirchen
Gesamtsieger 4 Tage von Dünkirchen
Kuurne-Brüssel-Kuurne
Endklassement 3 Tage von De Panne
Paarzeitfahren Karlsruhe (mit Oscar Camenzind)

1998 - Mapei-Bricobi
GP E3 Harelbeke
Pfeil von Brabant
Flandern-Rundfahrt

1999 - Mapei-Quick Step

2000 - Mapei-Quick Step
Omloop Het Volk
Pfeil von Brabant
Paris-Roubaix

2001 - domo-Farm Frites

2002 - domo-Farm Frites
Paris-Roubaix
HEW-Cyclassics Hamburg

2003 - Quick Step-Davitamon
Omloop Het Volk
3. Etappe Dänemark-Rundfahrt

2004 - Quick Step-Davitamon

 

Museeuw bei der Tour de France:
1988    -. für ADR
1989  106. für ADR
1990   81. für Lotto
           Sieger 4. Etappe (Mont-Saint-Michel)
           Sieger 21. Etappe (Paris)
1991    -. für Lotto
1992   73. für Lotto
1993   50. für GB-MG
           Träger Gelbes Trikot
1994   80. für GB-MG
           Träger Gelbes Trikot
1995   73. für Mapei-GB
1996   95. für Mapei-GB
1997    -. für Mapei-GB
2001    -. für domo-Farm Frites

 

Museeuw-Seiten im www:
www.johanmuseeuw.com
www.johanmuseeuw.tk
www.memoire-du-cyclisme.net/palmares/museeuw_johan.php

Johan Museeuw
* 13.10.1965 in Varsenare

Stand: 24.01.2007

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