Jens Heppner (GER)

Jens Heppner erblickte am 23. Dezember 1964 in Gera das Licht der Welt. Nach dem Zusammenschluss der beiden deutschen Staaten wurde er 1991 Profi, nachdem er die klassische DDR-Sportlerausbildung genossen hatte. «Heppe» erreichte in seiner Karriere unter anderem einen zehten Platz bei der Tour de France, einen Tour-de-France-Etappensieg und zehn rosa Trikots beim Giro d'Italia. Während der Zeit beim Team Telekom (1992-2002) war er Zimmerkollege von Jan Ullrich, dem ersten deutschen Tour-Sieger.

«Einfach rausfahren»
Mit 9 Jahren fing Jens Heppner mit dem Radsport an. Sein Antrieb, bei den Sichtungswettkämpfen mitzumachen, war schlicht und ergreifend die Aussicht auf ein eigenes Rad. Das wurde nämlich vom Verein gestellt, wenn man sich für diesen denn «qualifiziert» hatte. Heppner wurde direkt beim ersten (Sichtungs-)Crosslauf Zweiter: Damit hatte er sein Rad! Heppner Motivation lautete nun: «Einfach rausfahren!», was anscheinend ein erfolgreiches Konzept war. Denn mit 14 Jahren ergatterte er einen der begehrten 12 Plätze für Radsportler auf dem Sportinternat in Gera, wo er sein Handwerk erlernte.
Der größte Sieg in seiner Juniorenlaufbahn war der Junioren-WM-Titel mit dem Straßenvierer 1982. «Das Weltmeistertrikot hatte so ein Material, das bei Regen drei Kilo schwerer wird», erinnert er sich heute. In seiner Amateur-Laufbahn waren Gesamtsiege bei Hessen- und Sachsen-Rundfahrt (jeweils 1987) für seinen Verein SG Wismut Gera die größten Erfolge.
Ausgangs des Jahres 1987 brachten Jens Heppner plötzlich Herzrhythmus-Störungen aus dem Takt. Sie tauchten erstmals bei einem der vielen Übersee-Trainingslager in Mexiko auf (Puls 220!). Ein Jahr lang wussten die Ärzte keinen Rat, nur das sich Heppner besser vom Hochleistungssport fernhalten solle. Diesen Rat befolgte er nicht, da er teilweise bis zum Exzess Tennis spielte. Das Rad hatte er 1988 in die Ecke gestellt, bis ihn Vereinskollegen zum Neuanfang im Radsport bewegten. Die Herzprobleme waren mit der Zeit gegangen - genauso mysteriös, wie sie gekommen waren.
1991 wurde «Heppe» endlich Radprofi beim niederländischen Panasonic-Rennstall. 1990 hatte er den Wechsel ins Profi-Lager noch nicht vollziehen können, weil der DDR-Verband nur bei maximal acht (Ex-)Weltmeistern diesen Schritt zuließ. Da zählte sein Junioren-WM-Titel natürlich wenig. So fuhr er ein gutes letztes Amateur-Jahr, in dem er in Japan Vierter bei der Straßen-WM der Amateure wurde und in die Geschichtsbücher als letzter DDR-Straßenmeister eingehen konnte.

Die ersten Jahre bei Telekom
1992 wechselte Heppner auf Empfehlung von Uwe Ampler von Panasonic zum deutschen Team Telekom. Wie in seinem Jahr bei Panasonic konnte Heppner 1992 und 1993 auch bei Telekom keinen Sieg verbuchen. Trotzdem fuhr er äußerst stark. Direkt bei seiner ersten Teilnahme an der Tour de France im Jahr 1992 wurde er Zehnter im Gesamtklassement! Dabei profitierte er von einer guten Vorbereitung, die ihm ironischerweise ein Schlüsselbeinbruch im Frühjahr ermöglichte. So musste er nicht die Frühjahrsklassiker voll fahren und stieg erst beim Giro d'Italia wieder ins Renngeschehen ein. Besser hätte der Aufbau für die «grande boucle» also kaum sein können. In den Folgejahren ließ Telekom-Team-Boss Walter Godefroot Jens Heppner keine Chance, ein ähnliches Tour-Resultat noch einmal zu erzielen. Der Telekom-Kader war eher mäßig besetzt, so dass Heppner die gesamte Saison hindurch voll fahren musste. So konnte er natürlich bei der nächsten Tour de France nicht für Furore sorgen.
Dafür erreichte er bei anderen Rennen nennenswerte Ergebnisse: 1993 erklomm Heppner das Podium bei seinem Lieblingsrennen, dem Amstel Gold Race. Bei der Meisterschaft von Zürich glänzte er als Vierter. Durch weitere vordere Platzierungen bei Weltcuprennen belegte Heppner am Ende des Jahres Rang 10 in der Weltcup-Endwertung.
1994 erreichte Jens Heppner dann endlich seine ersten Profi-Siege. Zunächst wurde Deutscher Meister auf der Straße. Dann gewann er die 1. Etappe der Tour de Limousin und gab die Gesamtführung bis zum Ende der Rundfahrt durch die mittelfranzösische Region nicht mehr ab. Zumindest den Tagessieg konnte er 1995 auf der 2. Etappe wiederholen.

Heppner, der Wasserträger
Als 1996 Bjarne Riis zum Team Telekom gewechselt war, um die Tour de France zu gewinnen, war Jens Heppners Rolle schnell definiert. Hatte er vorher schon bei wichtigen Rennen für Leute wie Ludwig oder Zabel arbeiten müssen, waren ab sofort seine Helferdienste für einen Tour-Sieganwärter gefragt. Riis stellte laut Heppner selbst «seine» Tour-Mannschaft zusammen und sprach Heppner sein Vertrauen aus. Im Juli beendete der Riis die Regentschaft des Miguel Indurain und gewann als erster Däne die Tour de France. Heppner war einer seiner Wasserträger, deren Arbeit häufig nicht beachtet wird, aber trotzdem unerlässlich ist.
Ein Jahr darauf fuhr der Käse-Experte mit Wohnsitz in Belgien erneut in der Mannschaft des Tour-Triumphators. Diesmal gewann Jan Ullrich die große Schleife. Jens Heppner war sein Zimmerkollege, der mit seinen Späßen den ein Jahrzehnt jüngeren Ullrich bei Laune hielt - und ihm im Rennen Windschatten spendete.
1997 hätte Heppner die Früchte seiner uneigennützigen Arbeit sogar in Form eines Etappensieges ernten können, als er auf der 17. Etappe zusammen mit dem Niederländer Bart Voskamp von TVM auf die Zielgerade einbog. Doch kurz vor dem Zielstrich in Dijon verhakte sich Heppners Kopf hinter Voskamps Arm. In einer äußerst umstrittenen Entscheidung der Tour-Jury wurden beide Fahrer distanziert und der 26 Sekunden später einlaufende Italiener Mario Traversoni von Mercatone Uno zum Etappensieger erklärt.

Tour-Etappensieg in der Bretagne
Den Tagessieg beim wichtigsten Rennen der Welt durfte Jens Heppner ein Jahr später auf der 3. Etappe von Roscoff nach Lorient nachholen. Bei seinem bis dahin wohl größten und, wie er auch selbst sagt, «schönsten» Erfolg in seiner bisherigen Laufbahn verwies er am französichen Nationalfeiertag (14. Juli) den bretonischen Lokalmatadoren Xavier Jan (La Française des Jeux) im Schlussspurt auf den zweiten Rang. Wenige Kilometer vor dem Ziel hatte sich Heppner zusammen mit dem Franzosen aus einer neunköpfigen Spitzengruppe, bestehend aus Bo Hamburger, Pascal Chanteur (beide Casino!), Pascal Herve (Festina), Stuart O'Grady (gan), George Hincapie (US Postal), Vicente Garcia-Acosta (Banesto) und Francisco Cabello (Kelme) gelöst.
Bei der ersten Etappe der Tour 1998 auf französischem Staatsgebiet - der Prolog und die ersten beiden Teilstücke hatten auf Irland stattgefunden - hatte Heppner einen entscheidenden Vorteil: Er musste in der Ausreißergruppe als Telekom-«Aufpasser» keine Führungsarbeit verrichten. Denn sein Teamkollege Erik Zabel hatte tags zuvor durch Zeitgutschriften in Cork das gelbe Trikot erobert. Und im Hauptfeld machte Telekom Tempo für einen etwaigen Sprintsieg Zabels. Doch die Führungsgruppe war stark und kam durch. Das gelbe Trikot wechselte auf die Schultern des Dänen Hamburger. Heppner gelang, auch wegen der gesparten Kräfte, der so wertvolle Etappensieg beim wichtigsten Radrennen der Welt. Auf das gelbe Trikot fehlten ihm lumpige drei Sekunden.

Deutschland-Tour gewonnen, danach schwere Verletzung
Das Jahr 1999 stand für das gesamte Team Deutsche Telekom dann unter keinem guten Stern. Zwar kam Jens Heppner mit einem Sieg bei Rund um Köln gut in die neue Saison; er gewann auch die seit längerer Zeit wieder zum ersten Mal ausgetragene Deutschland-Tour; doch hatte Heppners Erfolg einen teamintern bitteren Beigeschmack. Denn bei seinen Sieg kam ihm u.a. der Sturz und die Aufgabe des Teamgefährten Rolf Aldag zugute. Außerdem verletzte sich Team-Kapitän Ullrich bei einem Sturz am Knie, weswegen für Heppners Zimmergenossen die Tour de France flachfiel.
Aber auch Jens Heppner war seit 1992 erstmals nicht bei der Frankreich-Rundfahrt dabei: Er verletzt sich bei einem Trainingsunfall kurz nach der Deutschland-Tour schwer, in einer ersten Diagnose war sogar von einer Querschnittslähmung die Rede. Dieser Befund bestätigte sich zum Glück nicht. Dennoch musste Heppner eine lange Regenerationszeit bewältigen. Gleichgewichtsstörungen führten dazu, dass er kaum noch längere Strecken sicher mit dem Rad fahren konnte. Wie schon bei den Herzproblemen legte sich dieses Handicap mit der Zeit. Nachdem «Heppe» eine schnurgerade Strecke von unwesentlicher Länge zigmal hin- und hergefahren war, ohne vom Weg abzukommen, war er wieder bereit fürs Renngeschehen.

Erstaunliches Comeback & 2 weitere TdF-Teilnahmen
Im Jahr 2000 feierte Heppner ein erstaunliches Comeback. Beim Henninger-Rennen in Frankfurt überließ er den Sieg dem hessischen Teamkollegen Kai Hundertmarck, der zusammen mit ihm und Matteo Tosatto in der führenden Dreiergruppe gesessen hatte. Nach zwei zweiten Plätzen 1995 und 1996 bei dem traditionell am 1. Mai ausgetragenen Ritt durch den Taunus wurde Heppner dieses Mal Dritter. Danach trug er den Sieg auf der 1. Etappe der Deutschland-Tour davon.
Trotzdem war seine Nominierung für die Tour de France 2000 etwas überraschend. Böse Zungen behaupteten, dass dies jeweils auf Geheiß von Jan Ullrich geschehen war, der auf den bisherigen Zimmerkollegen nicht verzichten wollte. Im Endeffekt lieferte Heppner aber erneut wertvolle Helferdienste, die Anteil hatten am zweiten Platz durch Jan Ullrich und dem neuerlichen Erfolg Erik Zabels im Kampf um das grüne Sprintertrikot. 2001 wurde Heppner nochmals für die «grande boucle» nominiert, die für Zabel und Ullrich den gleichen Ausgang hatte wie im Vorjahr. Leider konnte Jens Heppner ausgerechnet seine letzte Tour de France nicht in Paris beenden, da er auf der 16. Etappe einen Schlüsselbeinbruch erlitt.

Rosa Karriere-Herbst
Im Jahr darauf schließlich schlug noch einmal die große Stunde des Jens Heppner. In Varazze durfte sich «Heppe» nach der 6. Etappe der Italien-Rundfahrt das rosa Trikot des Gesamtführenden überstreifen, nachdem er mit einer mehrköpfigen Spitzengruppe das Ziel erreicht hatte. Als die «Krönung» seiner Karriere bezeichnete er die Tage, die er beim Giro d'Italia 2002 im Leader-Trikot verbrachte. Meisterlich war vor allem, mit welchem Einsatz der mittlerweile 37-jährige Routinier das «Maglia rosa» über zehn Tage (!) gegen die Berg- und Zeitfahrspezialisten verteidigte. Sowohl bei einer Bergankunft als auch bei einem Einzelzeitfahren stemmte sich Heppner gegen den Verlust des begehrten Leibchens.
Schließlich war die rosa Zeit nach der schweren Dolomiten-Etappe über Fedaia- und Pordoi-Pass vorübergegangen. Einen Tag später beendete Heppner den vorzeitig. Sein ohnehin schon vor der Italien-Rundfahrt lädiertes Knie war nach einem Sturz noch mehr in Mitleidenschaft gezogen worden. Doch wie sagte Heppner so schön: «Die Tage in Rosa nimmt mir niemand mehr.» - Recht hat er.

Wiesenhof
Die Freude über seinen Coup beim Giro war noch nicht verklungen, als Telekom-Team-Boss Walter Godefroot seinem langjährigen Schützling eröffnete, dass sie bei den Bonnern «keine Rentnertruppe» aufmachen können. Innerhalb weniger Sekunden wurde dem treuen Telekom-Profi vor den Kopf geworfen, dass er nicht mehr gebraucht wird.
Im GS-II-Team Wiesenhof Leipzig fand Heppner schließlich eine neue Heimat. Er unterschrieb dort einen Einjahresvertrag, den er später noch zweimal verlängern sollte. Nachdem seine aufgeschobenen Kniebeschwerden Ende 2002 behoben worden waren, wollte er es «noch mal so richtig krachen lassen». Bei deutschen Rennen war «Heppe» 2003 in der Tat häufig ein Aktivposten. Beim Henninger-Rennen in Frankfurt kam es ihm ganz gelegen, durch einen Vorstoß das Telekom-Team auf Trab zu halten - damit schließlich ein Fahrer aus einem anderen Team gewann.
Nebenher probierte sich Jens Heppner als Co-Kommentator bei Eurosport, beispielsweise komplette drei Wochen bei der Tour de France. Dies kündigte eigentlich schon den Abschied auf Raten an. Doch nach Abschluss der Saison 2004 war noch immer nicht Schluss: «Ich habe gesagt, dass ich mit 40 meine Karriere beende. 40 wäre ich gewesen, wenn ich diese Saison aufgehört hätte. 40 bin ich aber auch noch, wenn ich nächste Saison aufhöre.»
2005 fuhr Jens Heppner noch das Frühjahr für Wiesenhof. Nach seinem Kommentatoren-Job bei der Tour de France im Juli gab er im August in Jena sein Abschiedsrennen.

Die wichtigsten Profi-Siege und Heppners Teams:

1991 - Panasonic

1992 - Team Telekom

1993 - Team Telekom

1994 - Team Telekom
Deutscher Meister (Straße)
1. Etappe Tour du Limousin
Tour du Limousin, Gesamtsieg

1995 - Team Telekom
2. Etappe Tour du Limousin

1996 - Team Telekom
1. Etappe Regio-Tour

1997 - Team Telekom
5. Etappe Criterium du Dauphiné Libéré

1998 - Team Telekom
3. Etappe Tour de France (Roscoff - Lorient)
Rund um Köln

1999 - Team Telekom
Deutschland-Tour, Gesamtsieg

2000 - Team Telekom
1. Etappe Deutschland-Tour

2001 - Team Telekom

2002 - Team Telekom

2003 - Team Wiesenhof Leipzig

2004 - Team Wiesenhof Leipzig

2005 - Team Wiesenhof Leipzig

 

Heppner bei der Tour de France:
1992   10. für Team Deutsche Telekom
1993   62. für Team Deutsche Telekom
1994   60. für Team Deutsche Telekom
1995   66. für Team Deutsche Telekom
1996   88. für Team Deutsche Telekom
1997   60. für Team Deutsche Telekom
1998   56. für Team Deutsche Telekom
           Sieger 3. Etappe (Roscoff-Lorient)
2000   44. für Team Deutsche Telekom
2001   --. für Team Deutsche Telekom

 

Heppner-Seiten im www:
www.jensheppner.de

Jens Heppner
* 23.12.1964 in Gera

Stand: 24.08.2005

Special:
Zu Besuch bei Jens Heppner

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