Greg Lemond - Der erste große US-Boy
Greg Lemond, im Juni 1961 in Kalifornien geboren, war der erste Amerikaner, der im europäisch dominierten Straßen-Radsport große Erfolge verbuchen konnte. Erst sein übermächtiger Teampatron Bernard Hinault und dann ein folgenschwerer Jagdunfall verhinderten, dass Lemond vielleicht als erster Fahrer sechsmal die Tour de France hätte gewinnen können. So aber brachte er es dort zu drei Gesamtsiegen. Darüber hinaus wurde er zweimal Straßenweltmeister. Lemond gilt als die Person, die den Triathlonlenker und die reine Konzentration auf die Tour de France im Straßen-Radsport salonfähig machte. Ewig in Erinnerung wird sein hauchdünner 8-Sekunden-Toursieg über Laurent Fignon 1989 bleiben.
Der Trick mit dem Mehrjahresplan
Greg Lemond wuchs zunächst im Großraum Los Angeles und später in Nevada auf. Mit sieben Jahren begann Greg mit seiner ersten Sportart, dem Skifahren. Greg Lemond war ein Kind der Rocky Mountains, ein Kind der Natur. Fliegenfischen, Jagen oder eben Skifahren waren seine liebsten Beschäftigungen. Sportlich hoch hinaus wollte Greg im Trickskifahren, bis er sich Ende 1975 den Rücken verletzte.
Zunächst stieg er aufs Rad um, als Ersatz-Trainingsmaßnahme für eine Zukunft als professioneller Trickskifahrer. Denn das wollte er bis dahin unbedingt einmal werden. Doch es kam alles ganz anders. Zufällig besuchte er mit seinem Vater eines der seltenen Radrennen in der Gegend. Greg war angetan und unternahm daraufhin immer häufiger Radtouren mit seinem Vater. Das Interesse verlagerte sich nun mehr und mehr vom Trickski zum Radsport. Im milden Winter 1975/76 kam er wegen des ausbleibenden Schnees auch gar nicht auf den Gedanken, die Skier wieder auszupacken. Stattdessen verschlang er lieber die in Nevada spärlich vorhandene Literatur zum Thema Radsport.
Als er sich eines Tages mal wieder ein paar Zeitschriften holte, wurde er von einem Hobbyfahrer zu einem Klubrennen eingeladen. Dieses schloss er gegen die Senioren 14-jährig als Zweitplatzierter ab. Da war sofort klar: Es musste ein neues, modernes Rennrad her, mit entsprechendem Zubehör. Unterstützt von seinem Vater, der nun selbst im «gehobenen» Alter begann, Rennen zu fahren, suchte er mit neuer Ausrüstung die wenigen Rennen seiner Altersklasse in der Umgebung auf und gewann fast alle. Sein Vater fuhr bei den gleichen Veranstaltungen, nur nicht in der Jugendklasse.
Spät hatte Greg Lemond mit dem Rennradfahren begonnen. Dafür stieg er verfrüht in die Juniorenklasse der 16- bis 19-jährigen auf. Auch dort sammelte er fleißig vordere Platzierungen. Den Wechsel ins Amateurlager vollzog er ebenfalls früher als nötig, mit gleichbleibenden Erfolg.
1977 verfasste Greg Lemond einen Mehrjahresplan mit seinen Zielen für die nächsten Jahre: Im gleichen Jahr noch wollte er US-Meister der Junioren werden. 1978 nahm er sich eine vordere Platzierung bei der Junioren-WM vor, 1979 dann peilte er den Junioren-Weltmeistertitel an. 1980 sollte es der Olympiasieg sein. 1981 wollte er den Wechsel ins Profilager vollzogen haben. Und bis zum Alter von 25 Jahren schließlich sollte es doch bitteschön auch mit dem Profi-WM-Titel und einem Gesamtsieg bei der großen Tour de France in Europa geklappt haben. Hochgesteckte Ziele!
Nur zwei Ziele in seinem optimistischen Plan erreichte Lemond nicht: An Olympia 1980 konnte er wegen des West-Boykotts nicht teilnehmen. Und die Tour de France gewann er das erste Mal «erst» mit 26 Jahren...
Das Feuer zum Champion
Die «Eintrittskarte» für Lemond ins europäische Profigeschäft war der Gesamtsieg bei der Sarthe-Rundfahrt 1980 in Frankreich, für die Profis und Amateure gleichermaßen zugelassen war. Greg Lemonds Alter betrug zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 18 Jahre. Cyrille Guimard, sportlicher Leiter der Renault-Mannschaft und Mentor des mehrmaligen Toursieger Bernard Hinault, unterbreitete Greg einen Einjahresvertrag mit dem Satz: «Du hast das Feuer, ein großer Champion zu werden.»
Im Winter 1980/81 ging es also mit der frisch vermählten Frau dauerhaft Richtung Europa, genauer: in den Nordwesten Frankreichs. Im kalten Winter plagten den 19-jährigen Greg und seine Frau zunächst Heimweh. Dennoch gelang Greg Lemond schon nach kurzer Zeit der erste Sieg auf einer Etappe der Tour de l'Oise. Schon im Juni folgte der Hammer: Lemond wurde Dritter beim Critérium du Dauphiné Libéré, konnte also jetzt schon mit den besten Kletterern der Zunft mithalten.
In der zweiten Saison ging es im Eilschritt weiter in Richtung Spitze: Greg gewann Silber bei der Weltmeisterschaft in Großbritannien, nachdem er die entscheidende Attacke gesetzt hatte und nur der spätere Weltmeister Saronni reagierte. Und ihm gelang der Sieg bei der Tour de l'Avenir mit einem Rekordvorsprung. Die Tour de France hatte Greg 1982 wieder nicht bestritten. Auch 1983 wollte ihn sein Teamleiter Guimard noch nicht bei der «grande boucle» verheizen, obwohl Greg - trotz verkorkstem Frühjahr - die Dauphiné Libéré gewann, nachdem der ursprüngliche Sieger Pascal Simon wenig später wegen Dopings disqualifiziert worden war. Dafür ging er im August frisch in die Straßen-WM in der Schweiz und wurde in Altenrhein 22-jährig Weltmeister bei den Profis...
1984 bestritt Greg Lemond endlich seine erste Tour de France. Er wurde Gesamtdritter hinter seinem Renault-Teamkollegen Laurent Fignon, der wie im Vorjahr gewann, und dem Zweitplatzierten Bernard Hinault. Zudem war Lemond natürlich bester Jungprofi und der erste Amerikaner auf dem Podium bei der Tour de France. Trotzdem war er enttäuscht. Er wollte nur den Sieg und war dabei von einer Bronchitis aufgehalten worden.
Die Sache mit Hinault
Nach überstandener Knie-OP hatte Bernard Hinault schon 1983 dem Renault-Team den Rücken gekehrt, um vor Laurent Fignon zu «flüchten». Für die Saison 1985 suchte auch Lemond eine neue Herausforderung. Denn er war unglücklich mit seiner Rolle bei Renault, wo Fignon Kapitän war. Nun ließ er sich ausgerechnet von Bernard Hinault zur La-Vie-Claire-Mannschaft lotsen. Lemond hatte einerseits von Hinault in seinen ersten beiden Profijahren viel gelernt, andererseits war er im Hinault-Team natürlich nicht der Kapitän. Doch La-Vie-Claire-Boss Bernard Tapie lockte Lemond erfolgreich mit einem millionenschweren Angebot. Schließlich bestand auch die Aussicht, nach Hinaults Karriere-Ende 1987 der alleinige Kapitän zu werden.
1985 fuhr Greg Lemond die Klassiker und den Giro d'Italia, bevor er seine zweite Tour de France bestritt. Bei Paris-Roubaix wurde er Vierter, beim Giro war er Hinaults wichtigster Helfer und wurde hinter seinem Kapitän und Francesco Moser Gesamtdritter. Bei der Tour de France 1985 schließlich wurde er Gesamtzweiter mit 1:42 Minuten Rückstand, obwohl er nicht so fahren durfte, wie er wollte. Nach dem ersten langen Zeitfahren gehörte Bernard Hinault das Gelbe Trikot mit etwa zweieinhalb Minuten Vorsprung auf Lemond. Wann immer Hinault danach im Gebirge attackierte, um seinem fünften Toursieg näher zu kommen, musste Leutnant Lemond hinten stillhalten - es sei denn, Lemond hatte auf gefährliche Ausreißer «aufzupassen». Keine Frage: Mit einem Freifahrtschein hätte Lemond dem großen Bernard Hinault sehr gefährlich werden können. In Paris meinte Hinault schließlich zu Lemond, dass ihm seine Unterstützung im Jahr darauf sicher sei.
Damit war für Lemond die «Niederlage» erst einmal abgehakt. Dabei bestand noch größerer Grund zum Ärger: Laurent Fignon, wegen dessen er bei Renault gegangen war, musste auf die Tour wegen einer Kinieverletzung verzichten. Cyrille Guimard verkündete sogleich, dass Lemond mit ihm bei Renault die Tour gewonnen hätte.
Ein Jahr später, bei der Tour de France 1986, ging Bernard Hinault wohl ein Licht auf, dass er der erste Fahrer sein könnte, der die «grande boucle» zum sechsten Mal gewinnen konnte. Das berühmt-berüchtigte «Versprechen» Hinaults an Lemond war erst einmal hinfällig, als Hinault wieder das erste lange Zeitfahren gewann. Wie im Vorjahr fuhr Hinault die Attacken und Lemond war zum Stillhalten verdammt - bis Hinault nach einer eigentlich unnötigen Attacke im «maillot jaune» in den Pyrenäen einbrach. Lemond konnte mit den Verfolgern «legal» an Hinault vorbeifahren, ohne gegen die Teaminteressen zu verstoßen. Nach dem Etappensieg von Superbagnères war er im Klassement fast an Hinault dran.
In den Alpen schließlich hatte er auch ein wenig Glück, dass der Drittplatzierte Urs Zimmermann an manchen Tagen stärker war als Hinault. Lemond klemmte sich an Zimmermanns Hinterrad und eroberte das Gelbe Trikot. Nach letzten verzweifelten Angriffen auf der L'Alpe-d'Huez-Etappe sah Hinault endlich ein, dass aus einem sechsten Toursieg nichts würde. Hand in Hand überquerte er mit seinem Nachfolger die Ziellinie. Lemonds Traum vom großen Triumph in Paris wurde wenige Tage später Wirklichkeit. Jede Sekunde zählt
Am Ostersonntag 1987 ging Greg Lemond mal wieder auf die Jagd. Was an jenem Tag passierte, verhinderte, dass Lemond neuer Tour-Rekordsieger werden konnte. Es ermöglichte aber auch, dass er ein märchenhaftes Comeback in der knappsten Tour de France aller Zeiten feiern konnte. Greg Lemond wurde von seinem Schwager mit einem Truthahn verwechselt und wurde daraufhin von zig Schrotkugeln getroffen. Trotz enormen Blutverlustes kam er mit dem Leben davon. Bei der komplizierten Operation gelang es nicht, alle Schrotkugeln aus dem Körper zu entfernen. Dennoch schmiss er die Flinte nicht ins Korn. Ende 1988 konnte Greg Lemond für das PDM-Team schon wieder einige wenige Resultate zusammenfahren.
Es folgte im ADR-Rennstall das Jahr 1989 mit der spannendsten Tour de France, die es jemals gab. Kein Drehbuchautor hätte das Lemond-Märchen besser schreiben können, als es sich in der Realität zugetragen hatte. Erst der schwere Schicksalsschlag - und dann ein zweites Mal auf dem höchsten Treppchen der Tour! Dabei trumpfte der US-Amerikaner mit zwei grundlegenden Neuerungen auf: Er bereitete sich speziell auf die Tour de France vor und ließ Resultate bei allen anderen Rennen außer Acht. Und er setzte bei Zeitfahren einen Triathlonlenker und einen aerodynamischen Helm ein.
Sein größter Konkurrent war 1989 Laurent Fignon. Der Franzose hatte den Giro d'Italia gewonnen, bei dem Lemond nur 39. geworden war. Schon von Beginn an zeichnete sich ein Sekundenduell bei der 76. Frankreich-Rundfahrt ab. Ständig wechselte die Führung zwischen Lemond und Fignon. Der Zeitabstand zwischen den beiden Protagonisten stieg niemals über 51 Sekunden! Als am letzten Tag ein 24,5 Kilometer langes Einzelzeitfahren mit Ziel auf der Champs-Élysées den krönenden Abschluss der Tour bildete, führte Fignon mit 50 Sekunden vor Lemond. Der dritte Sieg des Franzosen schien so gut wie sicher zu sein. Was dann geschah, lässt einem noch heute den Atem stocken: Mit modernstem Material fuhr Greg Lemond eine Fabelzeit. Fignon war mit wallender Mähne und herkömmlichen Rad acht Sekunden zu langsam. Mit der schwächeren Mannschaft im Rücken hatte Lemond das scheinbar Unmögliche möglich gemacht. Im Anschluss an die Tour wurde Lemond im französischen Chambéry zum zweiten Mal Straßen-Weltmeister.
1990 vergoldete Greg Lemond seinen zweiten Toursieg mit einem Millionenvertrag beim Rennstall Z. Wieder stimmte er alles auf die Tour ab. Er ließ sich auch nicht dadurch verrückt machen, dass Claudio Chiappucci schon nach der ersten Etappe über zehn Minuten Vorsprung hatte. Der starke Italiener hatte rund um Futuroscope mit Maassen, Pensec und Bauer die gesamte Konkurrenz an der Nase herumgeführt. Erst im letzten Kampf gegen die Uhr schnappte Lemond dem «Bergteufel» Chiappucci das Gelbe Trikot weg. Auch wenn sein finaler Vorsprung deutlich war, erhielt der dritte Toursieg des US-Amerikaners seinen Glanz nur durch die Chiappucci-Geschichte. Lemond hatte in diesem Jahr keine einzige Etappe gewonnen.
In den Folgejahren ging es mit der Leistung von Greg Lemond langsam bergab. Angeblich machten ihm nun die Schrotkugeln, die noch in seinem Körper saßen, zu schaffen. Die Tour de France 1992 beendete er noch als Siebter. Die Ära Indurain war eingeläutet. 1994 beendete Greg Lemond seine Laufbahn 34-jährig in der gan-Mannschaft.
Die wichtigsten Siege und Lemonds Teams:
1981 - Renault
1.2 Etappe Tour de l'Oise
1. Etappe Coors Classic
7. Etappe Coors Classic
Coors Classic, Gesamtsieg
1982 - Renault
3. Etappe Tirreno-Adriatico
4. Etappe Tour de l'Avenir
5. Etappe Tour de l'Avenir
8. Etappe Tour de l'Avenir
Tour de l'Avenir, Gesamtsieg
1983 - Renault
1. Etappe Mittelmeer-Rundfahrt
1. Etappe Critérium du Dauphiné Libéré
5. Etappe Critérium du Dauphiné Libéré
7.2 Etappe Critérium du Dauphiné Libéré
Critérium du Dauphiné Libéré, Gesamtsieg
Straßenweltmeister in Altenrhein
1984 - Renault
7.2 Etappe Critérium du Dauphiné Libéré
1985 - La Vie Claire
5. Etappe Coors Classic
Coors Classic, Gesamtsieg
21. Etappe Tour de France
1986 - La Vie Claire
4. Etappe Valencia-Rundfahrt
5. Etappe Coors Classic
5. Etappe Giro d'Italia
13. Etappe Tour de France
Tour de France, Gesamtsieg
1987 - Toshiba
1988 - PDM
1989 - ADR
5. Etappe Tour de France
19. Etappe Tour de France
21. Etappe Tour de France
Tour de France, Gesamtsieg
Straßenweltmeister in Chambéry
1990 - Z
Tour de France, Gesamtsieg
1991 - Z
1992 - Z
Prolog Tour du Pont
Tour du Pont, Gesamtsieg
1993 - gan
1994 - gan
Lemond bei der Tour de France: 1984 3. für Renault 1985 2. für La Vie Claire 21. Etappe (Limoges - Lac de Vassivière) 1986 1. für La Vie Claire Gewinner Gelbes Trikot 13. Etappe (Pau - Superbagnères) 1989 1. für ADR Gewinner Gelbes Trikot 5. Etappe (Dinard - Rennes) 19. Etappe (Villard-de-Lans - Aix-les-Bains) 21. Etappe (Versailles - Paris) 1990 1. für Z Gewinner Gelbes Trikot 1991 7. für Z Träger Gelbes Trikot 1992 -. für Z 1994 -. für gan
Lemond-Seiten im www:
www.greglemond.com/aboutgreg.html
www.cycling4fans.de/index.php?id=1027
www.memoire-du-cyclisme.eu/palmares/lemond_greg.php