Eddy Merckx - Der Kannibale

Immer wieder wird versucht, irgendwelche Highscores über alle großen Straßen-Radprofis anhand der erzielten Rennergebnisse zu ermitteln. Über den Sinn oder die Bewertungsgrundlagen solcher «Best of»-Listen könnte man wohl endlos diskutieren. Nur über eines nicht - wer auf Platz eins kommt: Eddy Merckx.
Wer über einen längeren Zeitraum jedes dritte Rennen gewinnt; wer in seinen Glanzzeiten am Berg, gegen die Uhr oder im Spurt kaum zu schlagen war; wer in beinahe jeder Siegerliste eines anerkannt wichtigen Radrennens mehrmals auftaucht; den kann man mit Fug und Recht den allerbesten Radsportler aller Zeiten nennen. Eddy Merckx wurde der Kannibale genannt, weil er seinen Gegnern nichts schenkte und sie regelrecht «auffraß».
Wenn man allein bedenkt, dass Merckx bei der Tour de France 1969 am Ende das Gelbe Trikot des Gesamtsiegers, das Grüne Trikot des Punktbesten und das gepunktete Trikot des besten Bergfahrers einheimste, so ist dem wohl eigentlich schon nichts mehr hinzuzufügen.

Siege ohne Ende
Als Merckx seine erste Tour de France mit 24 Jahren als Debütant gewann, konnte er schon auf eine Reihe von Erfolgen zurückblicken. Schon in seiner Amateurzeit wies der Belgier seine Konkurrenz regelmäßig in ihre Schranken. 1964 wurde er Straßen-Weltmeister bei den Amateuren im französischen Sallanches.
Profi wurde er dann in der anschließenden Saison mit 19 bei Solo-Superia, nachdem er aufgrund seiner Amateur-Ergebnisse keinerlei Schwierigkeiten hatte, eine Elite-Equipe zu finden. Seine zweite Saison, jetzt für Peugeot, eröffnete er mit einem Paukenschlag, dem Sieg bei Mailand-San Remo. Ab 1967 purzelten die Siege in bisher nicht gekannten Ausmaßen. Dreimal Weltmeister, sieben Erfolge bei Mailand-San Remo, fünf bei Lüttich-Bastogne, je drei bei Paris-Roubaix und Flèche Wallonne, zwei bei Flandern-Rundfahrt - und das ist längst noch nicht alles.

Alles nur Doping?
Seinen ersten großen Rundfahrtsieg landete Eddy Merckx 1968 beim Giro d'Italia, den er wie die Tour de France je fünfmal gewinnen sollte. Ein Jahr später wurde er vom Giro wegen eines positiven Doping-Befunds ausgeschlossen, um nach einem schnellen Freispruch seine erste Frankreich-Rundfahrt siegreich in Angriff zu nehmen. Der «erwischte» Merckx warf den Giro-Veranstaltern wiederum vor, durch bewusste Manipulation seinen Abschied herbeigeführt zu haben, damit der Giro nicht langweilig würde und ein Italiener siegte.
Wie wahr: Mit seiner Dominanz trieb Merckx seine Gegner in die Verzweiflung. Und wenn es mal an einem Tag nicht so gut lief, konnte man sich gewiss sein, am nächsten Tag wieder den Sieger-Merckx über die Straßen donnern zu sehen. Insofern ist Merckx Verschwörungstheorie gar nicht einmal abwegig.
Andererseits gilt es heute als offenes Geheimnis, dass der «Kannibale» wohl nicht nur alltägliche Lebensmittel gefrühstückt hat, sondern auch die ein- oder andere verbotene Substanz im Spiel war. Es wäre trotzdem billig, Merckx' gigantische Karriere auf Doping zurückzuführen. Alle die behaupten, man schaffe mit erlaubten Mitteln nicht was Merckx schaffte, müssen wohl auch eingestehen, dass einem mit allem Doping der Welt nicht das gelingen wird, was Merckx in seiner außergewöhnlichen Karriere gelang.
Und wer jetzt noch anführt, dass Merckx nur so übermächtig war, weil er nie richtige Gegner hatte, dem sei entgegenzuwerfen, dass es ja auch sehr wohl Fahrer gab, die Merckx geschlagen haben, wenn auch selten.

Weltrekord
Auch mit den Rennfahrern des nächsten Jahrtausends konnte sich der dreimalige Weltsportler des Jahres zwei Jahrzehnte nach seinem Karriere-Ende unverhofft noch einmal messen. 1972 hatte Eddy Merckx mit 49,431km in Mexiko einen neuen Stundenweltrekord aufgestellt. Der ließ sich erst ab 1984 wieder mit speziell entwickelten Hightech-Rennmaschinen verbessern. Im Jahr 2000 schob der Weltradsport-Verband UCI allerdings einen Riegel vor die «Wunderräder» - nach dem Motto «Fahrräder anstatt Flugzeuge». Urplötzlich galt wieder der Weltrekord von Eddy Merckx, den erst Chris Boardman im Oktober 2000 wie Merckx mit einem herkömmlichen Rad brechen konnte. Und der Brite legte nur mickrige 10 Meter mehr zurück als der Belgier. Und das 28 Jahre nach Merckx' Rekordfahrt!
Unterm Strich wird man sich wohl nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen, wenn man behauptet, dass Eddy Merckx' Palmarès für alle Zeiten unübertroffen bleiben werden.

Die wichtigsten Profisiege und Merckx' Teams:

1965 - Solo-Superia

1966 - Peugeot
Mailand-San Remo
Meisterschaft von Flandern

1967 - Peugeot
Mailand-San Remo
Gent-Wevelgem
Wallonischer Pfeil
Katalonien-Rundfahrt
Straßenweltmeister in Heerlen

1968 - Faema
Paris-Roubaix
Tour de Romandie
1. Etappe Giro d'Italia (Novara)
8. Etappe Giro d'Italia (Brescia)
12. Etappe Giro d'Italia (Tre Cime di Lavaredo)
Giro d'Italia, Gesamtsieg
Tre Valli Varesine

1969 - Faema
Paris-Nizza
Mailand-San Remo
Flandern-Rundfahrt
Lüttich-Bastogne-Lüttich
3. Etappe Giro d'Italia (Montecatini)
4. Etappe Giro d'Italia (Montecatini/EZF)
7. Etappe Giro d'Italia (Terracina)
15. Etappe Giro d'Italia (San Marino/EZF)
6. Etappe Tour de France (Ballon d'Alsace)
8.1 Etappe Tour de France (Divonne-les-Bains/EZF)
11. Etappe Tour de France (Digne)
15. Etappe Tour de France (Revel/EZF)
17. Etappe Tour de France (Mourenx)
22.2 Etappe Tour de France (Paris/EZF)
Tour de France, Gesamtsieg
Paris-Luxemburg

1970 - Faema
Paris-Nizza
Gent-Wevelgem
Paris-Roubaix
Wallonischer Pfeil
2. Etappe Giro d'Italia (Saint-Vincent)
7. Etappe Giro d'Italia (Brentonico)
9. Etappe Giro d'Italia (Treviso/EZF)
Giro d'Italia, Gesamtsieg
Belgischer Straßenmeister
Prolog Tour de France (Limoges/EZF)
7.1 Etappe Tour de France (Forest)
10. Etappe Tour de France (Divonne-les-Bains)
11.1 Etappe Tour de France (Divonne-les-Bains/EZF)
12. Etappe Tour de France (Grenoble)
14. Etappe Tour de France (Mont Ventoux)
20.2 Etappe Tour de France (Bordeaux/EZF)
23. Etappe Tour de France (Paris/EZF)
Tour de France, Gesamtsieg
Belgien-Rundfahrt

1971 - Molteni
Omloop Het Volk
Paris-Nizza
Mailand-San Remo
Pfeil von Brabant
Lüttich-Bastogne-Lüttich
Rund um den Henninger Turm
GP du Midi-Libre
Critérium du Dauphiné Libéré
2. Etappe Tour de France (Straßburg)
13. Etappe Tour de France (Albi/EZF)
17. Etappe Tour de France (Bordeaux)
20. Etappe Tour de France (Paris/EZF)
Tour de France, Gesamtsieg
Straßen-Weltmeister in Mendrisio
Belgien-Rundfahrt
Lombardei-Rundfahrt

1972 - Molteni
Mailand-San Remo
Wallonischer Pfeil
Lüttich-Bastogne-Lüttich
Großer Scheldepreis
12.1 Etappe Giro d'Italia (Forte dei Marmi/EZF)
14. Etappe Giro d'Italia (Bardonecchia Jafferau)
16. Etappe Giro d'Italia (Livigno)
19.2 Etappe Giro d'Italia (Arco/EZF)
Giro d'Italia, Gesamtsieg
Prolog Tour de France (Angers/EZF)
5.2 Etappe Tour de France (Bordeaux/EZF)
8. Etappe Tour de France (Luchon)
13. Etappe Tour de France (Briançon)
14.1 Etappe Tour de France (Col du Galibier)
20.1 Etappe Tour de France (Versailles/EZF)
Tour de France, Gesamtsieg
Giro dell'Emilia
Piemont-Rundfahrt
Lombardei-Rundfahrt

1973 - Molteni
Omloop Het Volk
Trofeo Laiguelgia
Gent-Wevelgem
Paris-Roubaix
Lüttich-Bastogne-Lüttich
Amstel Gold Race
Spanien-Rundfahrt, Gesamtsieg
Prolog Giro d'Italia (Verviers/EZF)
1. Etappe Giro d'Italia (Köln)
4. Etappe Giro d'Italia (Aosta)
8. Etappe Giro d'Italia (Carpegna)
10. Etappe Giro d'Italia (Lanziano)
18. Etappe Giro d'Italia (Andalo)
Giro d'Italia, Gesamtsieg
GP des Nations
Paris-Brüssel
GP Fourmies

1974 - Molteni
Trofeo Laiguelgia
12. Etappe Giro d'Italia (Forte dei Marmi/EZF)
21. Etappe Giro d'Italia (Bassano del Grappa)
Giro d'Italia, Gesamtsieg
Tour de Suisse
Prolog Tour de France (Brest/EZF)
7. Etappe Tour de France (Chalons-sur-Marne)
9. Etappe Tour de France (Gaillard)
10. Etappe Tour de France (Aix-les-Bains)
15. Etappe Tour de France (Seo de Urgel)
19.2 Etappe Tour de France (Bordeaux/EZF)
21.1 Etappe Tour de France (Orléans)
22. Etappe Tour de France (Paris)
Tour de France, Gesamtsieg
Straßenweltmeister in Montréal

1975 - Molteni
Mailand-San Remo
Flandern-Rundfahrt
Katalanische Woche
Lüttich-Bastogne-Lüttich
Amstel Gold Race
6. Etappe Tour de France (Merlin-Plage/EZF)
9.2 Etappe Tour de France (Auch/EZF)

1976 - Fiat
Mailand-San Remo
Katalanische Woche

1977 - C & A

 

Merckx bei der Tour de France:
1969    1.  für Faema
            Gewinner Gelbes Trikot
            Gewinner Grünes Trikot
            Gewinner Bergwertung
            6. Etappe (Mülhausen - Ballon d'Alsace)
            8.1 Etappe (Divonne-les-Bains/EZF)
            11. Etappe (Briançon - Digne)
            15. Etappe (Revel/EZF)
            17. Etappe (Luchon - Mourenx)
            22.2 Etappe (Créteil - Paris)
1970    1.  für Faema
            Gewinner Gelbes Trikot
            Gewinner Bergwertung
            Prolog (Limoges/EZF)
            7.1 Etappe (Valenciennes - Forest)
            10. Etappe (Belfort - Divonne-les-Bains)
            11.1 Etappe (Divonne-les-Bains/EZF)
            12. Etappe (Thonon-les-Bains - Grenoble)
            14. Etappe (Gap - Mont Ventoux)
            20.2 Etappe (Bordeaux/EZF)
            23. Etappe (Versailles - Paris/EZF)
1971    1.  für Molteni
            Gewinner Gelbes Trikot
            Gewinner Grünes Trikot
            2. Etappe (Mulhouse - Straßburg)
            13. Etappe (Albi/EZF)
            17. Etappe (Mont-de-Marsan - Bordeaux)
            20. Etappe (Versailles - Paris/EZF)
1972    1.  für Molteni
            Gewinner Gelbes Trikot
            Gewinner Grünes Trikot
            Prolog (Angers/EZF)
            5.2 Etappe (Bordeaux/EZF)
            8. Etappe (Pau - Luchon)
            13. Etappe (Orcières-Merlette - Briançon)
            14.1 Etappe (Briançon - Col du Galibier)
            20.1 Etappe (Versailles/EZF)
1974    1.  für Molteni
            Gewinner Gelbes Trikot
            Prolog (Brest/EZF)
            7. Etappe (Mons - Chalons-sur-Marne)
            9. Etappe (Besançon - Gaillard)
            10. Etappe (Gaillard - Aix-les-Bains)
            15. Etappe (Colomiers - Seo de Urgel)
            19.2 Etappe (Bordeaux/EZF)
            21.1 Etappe (Vouvray - Orléans)
            22. Etappe (Orléans - Paris)
1975    2.  für Molteni
            Träger Gelbes Trikot
            6. Etappe (Merlin-Plage/EZF)
            9.2 Etappe (Fleurance - Auch/EZF)
1977    6.  für C & A

 

Merckx-Seiten im www:
www.cycling4fans.de/index.php?id=1031
www.memoire-du-cyclisme.eu/palmares/merckx_eddy.php

Eddy Merckx
* 17.06.1945 in Meensel-Kiezegem

Stand: 23.06.2003

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