Jacques Anquetil - Der große Stilist

Jacques Anquetil wurde 1934 in der Normandie als Sohn eines Bauern geboren. Mit 17 Jahren kam er erst recht spät zum Radsport, durfte dann aber umso schneller Siege feiern, als er mit 19 ins Profilager gewechselt war. Mit seinen fünf Gesamtsiegen bei der Tour de France machte sich Anquetil schließlich unsterblich.

Sofort zugeschlagen
Von Anfang an machte Anquetil keine halben Sachen, sondern trumpfte gleich auf. Vor allem seinen überragenden Zeitfahrqualitäten verdankte er einiges. Beim bis 1994 größten Eintages-Einzelzeitfahren der Welt, dem Grand Prix des Nations, trug der 19-jährige Jacques 1953 in seinem ersten Profijahr mit mehreren Minuten Vorsprung vor dem legendären Fausto Coppi bereits seinen ersten bedeutenden Sieg davon. Allein beim GP des Nations sollten noch acht weitere folgen.
Drei Jahre später überflügelte Anquetil den Italiener Coppi nochmals, als er seinen 14 Jahre bestehenden Stundenweltrekord auslöschte und in Mailand auf die Marke von 46,149km hinaufschraubte.
1957 bestritt Anquetil seine erste Tour de France. Der Normanne hatte vor der Tour noch keinen Alpen- oder Pyrenäengipfel gesehen, stieg die Berge aber während seiner Premiere bei der Frankreich-Rundfahrt leichtfüßig mit den Bergspezialisten hoch. Und im Kampf gegen die Uhr war Anquetil dann sowieso nicht mehr zu bezwingen. Was vor ihm noch keinem Debütanten bei der «Grande Boucle» gelungen war, vollbrachte Anquetil verblüffend überlegen. Mit 23 Jahren und fast 15 Minuten Vorsprung gewann er seine erste dreiwöchige Etappenfahrt, nachdem er im gleichen Jahr mit Paris-Nizza schon ein anderes mehrtägiges Rennen für sich entschieden hatte.

Erster «quintuple vainqueur»
1963 hatte Jacques Anquetil die Tour de France bereits als erster Mensch zum vierten Mal gewonnen. Im Jahr darauf sollte noch der fünfte Triumph her, doch Anquetil wäre beinahe gescheitert. Der Normanne führte nur knapp vor dem von den Fans heiß geliebten Raymond «Poupou» Poulidor, als der Tour-Tross in die 19. Etappe ging, die mit der schweren Bergankunft auf dem Puy-de-Dôme im Zentralmassiv endete.
Jeder rechnete mit einem Angriff Poulidors. Aber der blieb bis kurz vor dem Ziel aus, obwohl Anquetil völlig ausgelaucht war. Er versuchte, seine Müdigkeit mit entschlossener Mimik und flotten Sprüchen zu kaschieren. Das beeindruckte den jungen und unerfahrenen «Poupou» derart, dass er kilometerlang mit dem großen Jacques Anquetil Schulter an Schulter den Berg erklomm, nicht rechtzeitig die Attacke wagte und seinen Rückstand im Klassement nur um 42 Sekunden auf 14 verkürzte. Im abschließenden Zeitfahren vergrößerte Anquetil sein Polster wieder auf 55 Sekunden. Es war sein fünfter Gesamtsieg, wenn auch sein knappster. Und die Herzen der Zuschauer gehörten einem anderen...

Alle drei großen Rundfahrten gewonnen
Neben seinen fünf Tour-Erfolgen konnte Anquetil auch Gesamtsiege bei den anderen großen Rundfahrten in seinen Palmarès verbuchen. Zweimal wurde er Erster beim Giro d'Italia (1960, 1964), einmal gewann er die Vuelta (1963). Vier weitere Male erklomm er das Podest bei einer dieser drei Rundfahrten.
Im Gegensatz zu den Etappenrennen ist die Siegzahl bei Eintages-Klassikern eher bescheiden, wenn man einmal vom GP des Nations absieht. Immerhin siegte Anquetil bei Lüttich-Bastogne-Lüttich, Bordeaux-Paris und Gent-Wevelgem. Für einen Etappenspezialisten wie ihn waren das jedoch hoch zu bewertende Erfolge.
Französischer Straßenmeister oder Weltmeister wurde Anquetil nie. Bei der Straßen-WM 1966 auf dem Nürburgring holte er hinter seinem ehemaligen Marken-Kollegen Rudi Altig die Silber-Medaille. Raymond Poulidor wurde hinter Anquetil Dritter. 1969 beendete Jacques Anquetil seine Laufbahn, in der Siege reichlich gesät waren. Nach seiner aktiven Karriere war er weiterhin im Radsport tätig. Er leitete Mannschaften und Rennen, kommentiere fürs Fernsehen.
1987 starb er an Magenkrebs und wurde somit nur 53 Jahre alt.

Die wichtigsten Profi-Siege und Anquetils Teams:

1953 - La Perle-Hutchinson
GP des Nations

1954 - La Perle-Hutchinson
GP des Nations

1955 - La Perle-Hutchinson
GP des Nations

1956 - Helyett-Potin
GP des Nations

1957 - Helyett-Potin
Paris-Nizza
3.2 Etappe Tour de France (Rouen)
9. Etappe Tour de France (Thonon-les-Bains)
15.2 Etappe Tour de France (Barcelona/EZF)
20. Etappe Tour de France (Libourne/EZF)
Tour de France, Gesamtsieg
GP des Nations

1958 - Helyett-Potin
4 Tage von Dünkirchen
GP des Nations

1959 - Helyett-Leroux-Fynsec
2. Etappe Giro d'Italia (Salsomaggiore Terme/EZF)
19. Etappe Giro d'Italia (Valle Susa/EZF)
4 Tage von Dünkirchen

1960 - Helyett-Leroux-Fynsec
9.2 Etappe Giro d'Italia (Cave di Carrara/EZF)
14. Etappe Giro d'Italia (Lecco/EZF)
Giro d'Italia, Gesamtsieg

1961 - Helyett-Leroux-Fynsec
Paris-Nizza
Critérium International
9. Etappe Giro d'Italia (Bari/EZF)
1.2 Etappe Tour de France (Versailles/EZF)
19. Etappe Tour de France (Périgueux/EZF)
Tour de France, Gesamtsieg

1962 - Saint-Raphaël
8.2 Etappe Tour de France (La Rochelle/EZF)
20. Etappe Tour de France (Lyon/EZF)
Tour de France, Gesamtsieg

1963 - Saint-Raphaël
Paris-Nizza
Critérium International
1.2 Etappe Vuelta a España (Gijon/EZF)
Vuelta a España, Gesamtsieg
Critérium du Dauphiné Libéré
6.2 Etappe Tour de France (Angers/EZF)
10. Etappe Tour de France (Bagnères-de-Bigorre)
17. Etappe Tour de France (Chamonix)
19. Etappe Tour de France (Besançon/EZF)
Tour de France, Gesamtsieg

1964 - Saint-Raphaël
Gent-Wevelgem
5. Etappe Giro d'Italia (Baganzola Busseto/EZF)
Giro d'Italia, Gesamtsieg
9. Etappe Tour de France (Monaco)
10.2 Etappe Tour de France (Toulon/EZF)
17. Etappe Tour de France (Bayonne/EZF)
22.2 Etappe Tour de France (Paris/EZF)
Tour de France, Gesamtsieg

1965 - Ford France
Paris-Nizza
Critérium International
Bordeaux-Paris
Critérium du Dauphiné Libéré
GP des Nations

1966 - Ford France
Paris-Nizza
Lüttich-Bastogne-Lüttich
GP des Nations

1967 - Bic
Critérium National
Katalonien-Rundfahrt

1968 - Bic

1969 - Bic
Baskenland-Rundfahrt

 

Anquetil bei der Tour de France:
1957    1.  für Team Frankreich
            1.2 Etappe (Rouen)
            9. Etappe (Thonon-les-Bains)
            15.2 Etappe (Barcelona/EZF)
            20. Etappe (Libourne/EZF)
1958    -.  für Team Frankreich
1959    3.  für Team Frankreich
1961    1.  für Team Frankreich
            1.2 Etappe (Versailles/EZF)
            19. Etappe (Périgueux/EZF)
1962    1.  für Saint Raphaël
            8.2 Etappe (La Rochelle/EZF)
            20. Etappe (Lyon/EZF)
1963    1.  für Saint Raphaël
            6.2 Etappe (Angers/EZF)
            10. Etappe (Bagnères-de-Bigorre)
            17. Etappe (Chamonix)
            19. Etappe (Besançon/EZF)
1964    1.  für Saint Raphaël
            9. Etappe (Monaco)
            10.2 Etappe (Toulon/EZF)
            17. Etappe (Bayonne/EZF)
            22.2 Etappe (Paris/EZF)
1966    -.  für Ford France

 

Anquetil-Seiten im www:
www.memoire-du-cyclisme.eu/palmares/anquetil_jacques.php
velopalmares.free.fr/anquetil.htm

Jacques Anquetil
* 08.01.1934 in Mont-Saint-Aignan
† 18.11.1987 in La Neuville Chant d'Oisel

Stand: 18.06.2003

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